Als Geiseln in iranischen Gefängnissen
Iran setzt verhaftete Ausländer und Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft als Druckmittel in Verhandlungen ein. Bedrückende Schicksale sogenannter "Geiseldiplomatie".
Nazanin Zaghari-Ratcliffe
Nach dem Ende einer fünfjährigen Haftstrafe steht die 42-jährige britisch-iranische Staatsbürgerin erneut vor Gericht, wegen angeblicher "Propaganda gegen Iran". Die Mitarbeiterin der Thomson-Reuters-Stiftung, die weltweit Journalisten ausbildet, wurde zuerst im Mal 2016 wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" verhaftet. Sie wollte damals mit ihrer Tochter ihre Eltern im Iran besuchen.
Zaghari-Ratcliffes Ehemann Richard
Nazanins Tochter Gabriella konnte 2019 zu ihrem Vater nach London zurückkehren. Er sagte der DW: "Wir erhielten im Sommer 2016 folgende Botschaft: Wenn die britische Regierung bereit wäre, den Revolutionsgarden entgegenzukommen, würden sie die Anklage fallen lassen." Iran will von London umgerechnet rund 450 Millionen Euro für Waffen zurück, die wegen der Revolution 1979 nicht geliefert wurden.
Nahid Taghavi
Warum die deutsch-iranische Architektin im Oktober 2020 in Teheran verhaftet wurde, ist nicht bekannt. Bis zum 16. März saß sie in Isolationshaft. "Ich bin nur froh, dass sie nicht mehr unter psychischer Folter steht und in den Frauentrakt verlegt wurde", schreibt ihre Tochter Mariam auf Anfrage der DW. "Sie wurde insgesamt 1000 Stunden verhört. Eine Anklageschrift liegt nicht vor."
Siamak Namazi
Der 49-jährige iranisch-amerikanische Geschäftsmann sitzt seit Oktober 2015 hinter Gittern. Er wurde während eines Besuchs bei Verwandten verhaftet. Trotz der laufenden Verhandlungen mit US-Beteiligung über ein Atomabkommen wurde er wegen "Zusammenarbeit mit der feindlichen amerikanischen Regierung" zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Mohammad-Bagher Namazi
Der heute 85-jährige Bagher Namazi reiste im Februar 2016 in den Iran, um nach langer Trennung seinen Sohn wiederzusehen. Vor der Revolution von 1979 war Namazi Gouverneur einer ölreichen Provinz im Iran. Bei seinem Heimatbesuch wurde er verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt. 2018 erhielt er aus gesundheitlichen Gründen Haftverschonung. Das Land darf er nicht verlassen.
Fariba Adelkhah
Die 62-jährige iranisch-französische Sozialanthropologin wurde im Mai 2019 während einer Reise in den Iran festgenommen. Sie wurde wegen "Spionage" vor Gericht gestellt. Von dem Vorwurf wurde sie zwar freigesprochen, aber wegen "Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" zu sechs Jahren Haft verurteilt. Seit Oktober 2020 steht sie in Teheran unter Hausarrest.
Adelkhah und ihr französischer Ehemann Roland Gabriel Marchal
Im Juni 2019 reiste Roland Gabriel Marchal in den Iran, um seine Frau Fariba zu besuchen. Er wurde verhaftet und erst im März 2020 freigelassen: Im Austausch für die Freilassung eines Iraners, der wegen Verstoßes gegen US-Sanktionen in Frankreich vor Gericht stand. Der Fall von Fariba Adelkhah sei auch politisch motiviert, teilt das französische Außenministerium mit.
Benjamin Brière
Der 35-jährige Brière wurde im Mai 2020 festgenommen. Der Franzose war als Tourist unterwegs und soll versucht haben, mit seiner Drohne ein Gebiet nahe der Grenze zu Turkmenistan zu fotografieren. Nach zehn Monaten Haft wird ihm nun "Propaganda gegen das System" vorgeworfen. Brière soll in sozialen Netzwerken "Fragen zum obligatorischen Kopftuch im Iran" gestellt haben.
Anoosheh Ashoori
Der 66-jährige iranisch-britische Ingenieur wurde verhaftet, als er im August 2017 seine Mutter in Teheran besuchte. Ein Jahr später wurde er wegen der "Zusammenarbeit mit feindlichen Staaten gegen die Islamische Republik, darunter Israel" zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Nach Angaben seiner Familie konnte sein Anwalt erst eine Stunde vor der letzten Anhörung seine Akten einsehen.
Kylie Moore Gilbert
Die britisch-australische Islamwissenschaftlerin Kylie Moore Gilbert wurde 2018 nach dem Besuch einer Konferenz im Iran verhaftet und wegen "Spionage für Israel" zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im November 2020 wurde sie im Austausch gegen drei in Thailand inhaftierte Iraner freigelassen. Seither setzt sie sich für die Freilassung politischer Gefangener im Iran ein.
Immer wieder werden ausländische Bürger oder Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft im Iran verhaftet und wegen angeblicher "Spionage" oder "Gefährdung der nationalen Sicherheit" zu langen Haftstrafen verurteilt. Beweise werden nie vorgelegt. Sie werden als Geiseln missbraucht, um politische Zugeständnisse zu erzwingen.