Als Flüchtling auf die Bank
12. November 2015Wer in Deutschland ein Konto bei einer Bank einrichten möchte, muss normalerweise bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört ein fester Wohnsitz, ein geregeltes Einkommen und vor allem ein Personalausweis. Viele Menschen, erst recht Flüchtlinge, besitzen häufig nichts davon. Sie würden damit auch kein Konto erhalten. Damit jedoch beginnt oft ein Teufelskreis. Wohnungsvermieter wollen die Miete von einem Konto abbuchen, sonst gibt es keine Wohnung. Ohne Wohnsitz findet sich kaum Arbeit. Ohne Arbeit keine Wohnung. In Deutschland geht es rund 700.000 Menschen so. Mit den Flüchtlingen schätzen Verbraucherverbände die Zahl der Betroffenen auf mehr als eine Million.
Das kann so nicht bleiben, befand die Bundesregierung, weil dies eine echte Teilhabe am Leben unterbinde und bei Flüchtlingen die so dringend erwünschte Integration erheblich behindere. Das Bundeskabinett beschloss Ende Oktober ein sogenanntes "Bankkonto für Jedermann", das per Gesetz möglichst zum 1. Juni 2016 eingeführt sein soll.
"Duldung" reicht aus
Damit die Bank Angaben zur Person erhält, sollen Flüchtlinge als Ausweisersatz auch gleichwertige Dokumente bei der Kontoeröffnung vorgelegen dürfen. Das wäre zum Beispiel ein Schreiben von der Botschaft des Herkunftslandes oder ein Dokument des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, wo Flüchtlinge zuerst registriert werden. Es soll keine Wohnanschrift mehr notwendig sein, die Postadresse einer Flüchtlingsunterkunft würde ausreichen.
Es soll für eine Kontoeröffnung auch keine Rolle spielen, ob ein Asylverfahren schon abgeschlossen ist, man also offiziell bleiben darf, oder ob man nur den Status einer "Duldung" erhalten hat. Nach der ordnungsgemäßen Registrierung als Flüchtling kann der Gang zur Bank erfolgen und das Geldinstitut darf dann Menschen als Kunden nicht ablehnen. Eine einzige Einschränkung gilt: Das Konto kann nur im Guthaben geführt werden. Schuldenmachen geht nicht.
Die Angst der Banken
Der Bundesverband deutscher Banken sieht den Zugang von Flüchtlingen zu Finanzdienstleistungen im Prinzip als selbstverständlich an, der Präsident dieses Verbandes, Jürgen Fitschen, sieht jedoch große Risiken mit den Flüchtlingskonten verbunden: Was passiert, wenn Personen ohne ausreichende Identifizierung Konten missbrauchen, um zum Beispiel Terrorismus zu finanzieren oder Geldwäsche zu betreiben? International handelnde Banken würden in den USA für Aufsichtsfehler und mangelnde Kontrollen streng in Haftung genommen. Den Geldinstituten droht im Extremfall der Ausschluss vom amerikanischen Markt und vom Zahlungsverkehr in Dollar. Strafen in Milliardenhöhe waren bei Verstößen gegen Geldwäschegesetze bisher schon keine Seltenheit.
Tatsächlich hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) schon jetzt – als humanitären Akt - angesichts der großen Flüchtlingszahlen die sonst strengen Anforderungen an eine Identifizierung bei einer Kontoeröffnung gesenkt, denn auf freiwilliger Basis bieten einige Banken heute schon "Jedermann-Konten" an. Grundlage dafür ist seit 1995 eine freiwillige Selbstverpflichtung, an die sich besonders private Banken unter Hinweis auf Geldwäschebestimmungen nicht immer hielten. Insider sprechen davon, dass Privatbanken "unerwünschte Problemkunden" einfach nicht haben wollten. Ab 2016 sollen per Gesetz alle Bankinstitute verpflichtet werden, Konten für Jedermann einzurichten.
Erste Erfahrungen mit Flüchtlingskonten
Bisher bieten vorwiegend die "Sparkassen" als öffentlich-rechtliche Institute – getragen durch die Kommunen – bereits "Jedermann-Konten". Die Berliner Sparkasse nennt ihre Leistung "Bürgerkonto" und unterhält sogar zwei Filialen in den Stadtteilen Wilmersdorf und Lichtenberg, die speziell Flüchtlinge betreuen. Mitarbeiter, die Englisch und Arabisch sprechen, stehen für die zur Verfügung. Seit Jahresbeginn eröffneten über 6.000 Flüchtlinge in den Filialen ein Konto.
Bisher habe es – was den Verdacht eines möglichen Missbrauchs der Konten angeht – keine besonderen Auffälligkeiten gegeben, erklärt eine Sprecherin des Instituts auf Anfrage. Natürlich würden alle Institute der Sparkassen die Geldwäschegesetze einhalten und Kontenbewegungen ständig genau im Auge behalten sowie im Verdachtsfall an Staatsanwaltschaften übermitteln. Für Flüchtlingskonten gelten die ganz normalen Embargo-Richtlinien, die Ein- und Auszahlungen mit dem Iran untersagen und im Fall von Syrien für Kontenbewegungen plausible Erklärungen und Einzelfallprüfungen erforderlich machten.
Zukunftsperspektiven
Die EU-Richtlinie zum "diskriminierungsfreien Zugang zum Bankkonto", die die Bundesregierung versucht, zum 1.Juni 2016 in nationales Recht umzusetzen, spricht davon, dass wenigstens eine Bankinstitutsgruppe in einem EU-Land ein "Jedermann-Konto" anbieten muss. Das wäre mit den Sparkassen bereits heute erreicht. Sarah Ryglewski, die zuständige Berichterstatterin für die SPD-Bundestagsfraktion, ist überzeugt, dass man im parlamentarischen Verfahren ab Januar nächsten Jahres und auch in den für Februar angesetzten Anhörungen im Finanzausschuss weitere Partner für das Gesetz gewinnen kann: "Das Basiskonto auch für Flüchtlinge und Menschen ohne festen Wohnsitz wird kommen. Es ist notwendig für ein normales Leben in Deutschland und gelebte Integration. Dafür ist es jetzt höchste Zeit."