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Plattenbauten für Sansibar

Marc von Lüpke-Schwarz23. Dezember 2013

1964 erkannte Sansibar die DDR offiziell als Staat an. Walter Ulbricht bedankte sich mit einem berühmt-berüchtigten Produkt des "realexistierenden Sozialismus": Mit Plattenbauten.

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Plattenbau Sansibar Michenzani
Bild: Sigrun lingel - sa

Walter Ulbricht war ein einsamer Mann. Zwar genoss er seine Stellung als der unbestritten starke Mann im zweiten deutschen Staat, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Doch erkannte kaum ein Staat seinen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat an, als den sich die DDR empfand. Der westliche Nachbar, die Bundesrepublik Deutschland, drohte jeder Regierung, die die DDR völkerrechtlich anerkannte, empfindliche Strafen an. Als einen "unfreundlichen Akt" werteten die Westdeutschen eine solche Tat, die Reaktion konnte bis zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen führen. Dieses Risiko wollte kaum jemand eingehen.

Walter Ulbrich
Walter Ulbricht beschenkte Sansibar mit PlattenbautenBild: picture alliance / Keystone

Gute Nachrichten aus Sansibar

So genoss die DDR fast nur bei den sozialistischen osteuropäischen Staaten, allen voran der Sowjetunion, völkerrechtliche Anerkennung. Die Bundesrepublik Deutschland sah sich dagegen als Alleinvertreterin der Deutschen. Ihr Argument war dabei so einfach wie zutreffend: die Volksvertretung und die Regierung der DDR, und damit auch der Vorsitzende des Staatsrats, Walter Ulbricht, seien nicht demokratisch legitimiert. In dieser Situation erreichten Ulbricht 1964 gute Nachrichten aus einem weit entfernten Winkel der Welt: aus Sansibar, einer Insel vor der Küste Ostafrikas im Indischen Ozean.

Gerade aus der britischen Kolonialherrschaft entlassen, revoltierten dort Aufständische gegen die Regierung des amtierenden Sultans – und vertrieben den Herrscher. Walter Ulbricht war begeistert. Nicht nur, weil sich Sansibar und die Nachbarinsel Pemba zu einer "Volksrepublik" im sozialistischen Sinne erklärten, sondern auch, weil der neue Präsident des Inselstaates, Abeid Amani Karume, die DDR schnell anerkannte.

Tansania Sansibar Altstadt
Die Altstadt von Sansibar-Stadt ist wunderschön, aber bietet wenig Komfort für die Bewohner der alten HäuserBild: picture-alliance/Andreas Gebert

Ein gigantisches Geschenk

Walter Ulbrichts Nachfolger Erich Honecker sprach später die berühmten Worte: "Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf." Vielleicht dachte Ulbricht Ähnliches, als er hörte, dass ein weiterer Staat der Welt sozialistisch wurde. Auf jeden Fall wollte er den neuen "Bruderstaat" unterstützen und sich bei ihm bedanken. Auch wenn sich Sansibar nur wenige Monate später mit dem auf dem Festland gelegenen Tanganjika zu dem neuen Staat Tansania zusammenschloss. Aber die DDR konnte beruhigt sein – denn auch der Präsident Tansanias, Julius Nyerere, war der sozialistischen Idee gegenüber aufgeschlossen.

Bald schwärmten Bauingenieure aus der DDR auf der Insel Sansibar aus und erkundeten geeignetes Bauland. Ulbrichts zweifellos großzügiges Geschenk an Sansibar und die Hauptstadt Sansibar-Stadt war Wohnraum. Genauer gesagt: Plattenbauten, die als "moderner Wohnraum" den Bewohnern der Insel die Genüsse des Sozialismus nahe bringen sollten. Doch bevor das Bauvorhaben gestartet werden konnte, wurden erst einmal die Menschen vertrieben, die zuvor dort wohnten. Manche von ihnen wurden gleich zur Arbeit zwangsverpflichtet.

Tansania Sansibar Michenzani
Trotz der maroden Straße sind die Plattenbauten ein beliebter WohnortBild: cc-by-sa/Sigrun Lingel

Plattenbauten im Indischen Ozean

Baustoffe kamen per Schiff aus der DDR, dann konnten die Arbeiten beginnen. Straßenzüge, wie man sie aus der DDR kannte, entstanden nun mitten im Indischen Ozean. Und das mit großer Geschwindigkeit, denn der große Vorteil der Plattenbauweise besteht in der Einfachheit und Schnelligkeit der Errichtung. Fertigteile werden zusammengefügt, so dass die neuen Bewohner schnell einziehen können. In der DDR löste man mit den Plattenbauten auch die große Wohnungsnot, die durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs entstanden war. "Kikwajuni" hieß eines der Neubauprojekte auf Sansibar, "Michenzani" ein anderes. Letzteres bringt es auf eine Gesamtlänge von über 1,5 Kilometer Plattenbau-Fassade.

Plattenbau Dresden 1975 Deutschland
Ein inoffizielles Wahrzeichen der DDR: PlattenbautenBild: Wikimedia/Deutsche Fotothek - SA

Die Menschen Sansibars nahmen den neuen und ungewohnten Wohnraum gerne in Besitz, genau wie in der DDR war die "Platte" begehrt. Die Wohnungen waren neu, modern, sauber. Auch manche der zuvor aus ihren Hütten vertriebenen Einwohner erhielten nun in den neuen Häusern zumindest eine Bleibe. Bis heute gibt es kaum jemanden auf Sansibar, der eine der begehrten Wohnungen freiwillig wieder hergeben würde. Manche Straßenzüge sind längst marode, doch die Wohnungen sind immer noch beliebt, nicht zuletzt, weil sie sich leicht renovieren lassen und vergleichsweise viel Komfort bieten. Rund 20.000 Menschen sollen heute in den Gebäuden leben, mit denen sich einst die DDR bei Sansibar erkenntlich zeigte. Die DDR selbst ist längst untergegangen, die Gebäude auf Sansibar werden wohl noch eine Weile Bestand haben.