Copy and Paste ohne Kontrolle
23. April 2010Das Kopieren von Literatur und Musik bewegte sich rechtlich eigentlich immer schon in einer gesetzlichen Grauzone, auch vor der Reform des Urheberrechts in Deutschland im Jahr 2008. Nur war das Kopieren bis zur massenhaften Verbreitung digitaler Möglichkeiten ein zu vernachlässigendes Problem. Doch dann kam das Copy and Paste mittels Computer und damit die Gelegenheit zur Vervielfältigung ohne Qualitätsverlust. Die gebrannte CD klang genauso wie die gekaufte. Außerdem entwickelte sich sprunghaft die weltweite Vernetzung der User per Internet. Dem Austausch von Gratis-Kopien war Tür und Tor geöffnet.
Die Gesetzeshüter wurden auf die Tauschbörsen aufmerksam, einige Anbieter verschwanden. Für großes Aufsehen hatte unter anderem das Urteil eines schwedischen Gerichts im Frühjahr 2009. Wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht wurde die Betreiber der Internet-Tauschbörse Pirate Bay zu einem Jahr Gefängnis und Schadensersatz in Millionenhöhe verurteilt. Doch lässt sich überhaupt schützen, was einmal seinen Weg ins Netz gefunden hat? Matthias Spielkamp von irights, einer Internetplatform die umfassend über Urheberrechte im Netz informiert, ist anderer Ansicht.
Kontrolle ist unmöglich
"Die Vorstellung ist illusorisch, dass man das Internet und damit auch das Kopieren von digitalen Daten kontrollieren und dann in Bahnen lenken kann, über die man sich demokratisch einigt." Es bleibe die Frage zu klären, wie diejenigen, deren Werke genutzt werden, also Schriftsteller, Musiker und Filmemacher davon profitieren können. Allein dass die Frage jetzt heftig debattiert werde, betrachtet Spielkamp als großen Fortschritt. Im April hat irights zusammen mit der Heinrich Böll-Stiftung eine umfangreiche Diskussionsschrift zum Thema Urheberrecht und Internet veröffentlicht. Der bezeichnende Titel: "Copy.Right.Now" Die Artikel darf man im Internet übrigens straf- und kostenlos kopieren.
Googles großer Coup
Den größten Stein in Sachen Urheberrecht hatte der Suchmaschinen-Betreiber Google im Jahr 2005 ins Rollen gebracht mit seiner Idee eines einer riesigen Internet-Bibliothek. Google wollte und will Bücher kopieren und kostenfrei ins Netz stellen. Darin sieht nicht nur der Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Christian Sprang, eine große Gefahr. Er betont, dass Google sich mit dem Zugriff auf Millionen Bücher eine Ausgangsstellung verschafft, an der niemand mehr vorbeikommt. In einem sich gerade erst bildenden Markt für elektronische Texte sei Googles Buchprojekt ein großer strategischer Vorteil, der Schriftsteller und Verleger ausbootet. Außerdem seien viele literarische Werke über Jahrzehnte von Steuerzahlern finanziert worden. Das dürfe man jetzt nicht einfach so kommerzialisieren.
Mehr Fragen als Antworten
Vieles an der Diskussion beruhe allerdings auf einem Missverständnis, sagt Matthias Spielkamp. Denn das Google-Books-Settlement habe nur sehr bedingt etwas mit dem deutschen Urheberrecht zu tun. Bei Google sei es darum gegangen, dem Nutzer auf dem amerikanischen Markt Bücher zur Verfügung zu stellen. Die große Verwirrung sei dadurch entstanden, dass man dachte, das gelte nun auch für das deutsche Urheberrecht. Das sei aber nicht so.
Allerdings könnten deutsche Schriftsteller mit Google zusammenarbeiten, wenn sie wollen. Sie müssten sich dann aber auf die Konditionen der Suchmaschinenbetreiber einlassen. Auch in den USA rief Googles Absicht massive Kritik und Klagen von Verlegern und Schriftstellern hervor. Zwar gab es im vergangenen November erste Einigungen, doch geklärt ist die Situation noch nicht. Die Unübersichtlichkeit sei eher größer geworden, meint Matthias Spielkamp. "Gerade in der Auseinandersetzung um das Google-Book-Settlement ist in den vergangenen Monaten so viel Neues herausgekommen, dass jetzt weniger klar ist, ob das Ganze genehmigt wird als im Jahr 2005", so der Internet-Experte.
Notlösung Kultur-Flatrate
Ein pragmatischer Vorschlag, den Künstlern zu ihrem Recht und angemessener Vergütung zu verhelfen, kam von den Grünen: die Kultur-Flatrate. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass jeder, der einen Breitband-Zugang zum Internet nutzt, eine pauschale Abgabe zahlt. Nur über die Höhe herrscht Uneinigkeit. Außerdem fehlen zu einer Beurteilung des Bedarfs die entsprechenden ökonomischen Analysen. Die Flatrate ist ein Vorschlag aus der Not heraus. Gerade in der jüngsten Zeit hat man festgestellt, dass es sehr schwer ist, das Kopieren und Tauschen zu kontrollieren. In Frankreich und Großbritannien wurden teilweise Zugangssperren eingerichtet. In Deutschland sieht hat man Angst, zu tief in Bürgerrechte einzugreifen.
Die Verfechter absoluter (Kopier-) Freiheit
Es gibt auch nicht kommerzielle Verfechter eines freien Internets ohne Kopierbeschränkung. Sie betonen, ein freier Zugang für alle erhöhe die kulturelle Produktivität und sei global betrachtet ein demokratischer Fortschritt. Bleibt allerdings die Frage, womit die Produzenten von Texten und Tönen dann noch Geld verdienen können. Schließlich hat nicht jeder die gleichen Ausweichmöglichkeiten wie große Firmen, die oft Information frei zur Verfügung stellen. So verdient beispielsweise Apple wenig mit dem Verkauf von Musik, aber mit Geräten, mit denen man auf die Musik im Apple-Musik-Angebot bequem zugreifen kann.
ACTA - Anti Counterfeiting Agreement
Um das Urheberrecht im Internet kümmern sich derzeit viele Behörden und Initiativen. Eine Gruppe auf höchster Ebene hält ihre Diskussion allerdings seit Jahren überraschend geheim. Das Antipiraterieabkommen ACTA will den zunehmenden Handel mit gefälschten Produkten und Waren bekämpfen und auch das massenhafte Kopieren einschränken. Die Teilnehmer sind unter anderem die USA, die Europäische Union und auch Japan. In den kommenden Monaten sollen die Vorschläge von ACTA erstmals veröffentlicht werden. Ob sie neue und realisierbare Vorschläge zur Sicherung des Urheberrechts im World Wide Web zu bieten haben, ist jetzt noch nicht abzusehen.
Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Sabine Oelze