Alle wollen zu Ello
30. September 2014"Hallo, ist da jemand?" Wer derzeit dem noch jungen Sozialen Netzwerk Ello beitritt, fühlt sich zunächst etwas allein gelassen. Das Design ist karg, Freunde von anderen Plattformen wie Facebook oder Twitter kann man nicht mitbringen. Man fängt bei null an: mit dem Netzwerken, mit dem Zurechtfinden. Und doch versuchen gerade viele Menschen, Teil von Ello zu werden. Der Zutritt zu der Beta-Version ist allerdings nur per Einladung eines Mitglieds möglich. Laut Angaben von Ello werden bis zu 30.000 Einladungen pro Stunde verschickt. Diese sind so begehrt, dass sie auch schon auf Ebay angeboten werden.
Hat der Facebook-Exodus begonnen?
Ist es Neugier? Ist es die Enttäuschung mit etablierten Netzwerken wie Facebook und Twitter, die wegen des Umgangs mit Nutzerdaten und Ignoranz gegenüber Nutzerinteressen in der Kritik stehen? Ello jedenfalls positioniert sich klar als werbefreies Netzwerk, das Nutzerdaten nicht an Dritte verkauft. #link:https://ello.co/wtf/post/privacy:Darüber hinaus verspricht Ello, dass Nutzer kontrollieren können#, wieviel sie von sich preisgeben wollen. Für solche Menschen ein willkommenes Angebot, die sich etwa dem Klarnamenzwang bei Facebook nicht unterwerfen wollen.
Erst vor ein paar Tagen kündigten Aktivisten aus der amerikanischen LGBT-Gemeinde (steht für engl. lesbian, gay, bisexual and trans) an, Facebook verlassen zu wollen. Ihre Begründung: Facebook habe die Profile von prominenten Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transpersonen gesperrt, weil sie ihre Pseudonyme oder Künstlernamen nicht in Klarnamen geändert hätten. #link:http://www.buzzfeed.com/tonymerevick/lgbt-activists-challenge-facebook-on-policy-requiring-legal:Für viele nicht hinnehmbar.# Die Webseite "Daily Dot" sprach schon von dem #link:http://www.dailydot.com/technology/ello-facebook-real-names-policy/#. Auch hier hat Ello es schnell verstanden, sich ins Gespräch zu bringen: Ello heiße die LGBT-Community willkommen, sagte Mitgründer Paul Budnitz der Webseite The Daily Dot. "Und wir sind begeistert, dass so viele Menschen wechseln.”
Viele Funktionen fehlen noch
Das mag erklären, warum Ello derzeit auf so viel Begeisterung stößt. An den Funktionen selbst kann es kaum liegen. Im Grunde ist Ello ein weiterer Nachrichtendienst, über den man Texte, Bilder und Links posten kann. Viel mehr ist gerade nicht möglich. Standards anderer Netzwerke, wie private Nachrichten, Vorschauen von Links oder die Suche nach Themen, sind noch nicht verfügbar. Und auch die Suche nach anderen Mitgliedern ist nicht zuverlässig. Ein weiteres großes Manko: Es gibt noch keine Handy-App für Ello. #link:https://ello.co/wtf/post/featurelist:Sie steht auf einer langen Liste von Features#, die nach und nach kommen sollen.
"Das Ausrollen neuer Funktionen hat bei uns die größte Priorität”, sagt Ello-Sprecherin Rachel Fukaya. "Wir hören auf die Ello-Nutzer und sortieren Funktionen auf Grundlage dieser Rückmeldung." Und selbstverständlich wolle man sicherstellen, dass die Seite technisch gut läuft. "Wir sind immer noch sehr beta”, räumt Fukuya ein. "Es gibt kleinere Fehler, aber so wird es zu einem aufregenden Abenteuer für alle."
Ein weiterer Punkt ist für die Ello-Macher wichtig: "Wir wollen sicherstellen, dass der Community-Gedanke von Ello sich weiterentwickelt”, sagte Fukaya der DW. Hierfür beschreitet Ello andere Wege als die etablierten Netzwerke. Der Fokus auf Privatsphäre etwa wird herausgehoben. Der Verzicht auf Anzeigen ebenso. Inhalte, die in anderen Netzwerken gesperrt werden, sind bei Ello erlaubt: "Nacktheit ist für uns in Ordnung solange sie niemanden verletzt, sie nicht zur Gewalt gegen andere einlädt, sie keine Minderjährigen oder Tiere einbezieht. Und so lange man sein Profil entsprechend kennzeichnet”, #link:http://www.coolhunting.com/culture/ello-social-network-interview-founder-paul-budnitz.php:sagte Mitgründer Budnitz der Webseite "Cool Hunting"#.
Nicht zu übersehen ist auch die Arbeit, die man sich bei Ello mit dem reduzierten Design gemacht hat. Schwarz, grau und weiß sind die dominierenden Farben. Viele leere Flächen, auf denen kleine Icons sparsam verteilt sind. Elegant, chic und cool - sagen die einen. "Ein grauenhaftes Beispiel für minimalistisches Design" #link:http://www.fastcodesign.com/3036377/design-crime/ellos-5-biggest-design-crimes:die anderen#.
Diskussion um Finanzspritze
Kritik gibt es aber auch über die Nutzerführung hinaus. Internet-Aktivist Aral Balkan hat kürzlich darauf hingewiesen#, dass Ello #link:https://aralbalkan.com/notes/ello-goodbye/:eine Finanzspritze von 435.000 US-Dollar# vom Venture-Capital-Firma "Fresh Tracks Capital" erhalten habe. Für Balkan ein klares Anzeichen dafür, dass Ello von vorherein geplant habe, das Netzwerk und die Nutzerdaten früher oder später zu veräußern. "Wenn man Venture Capital annimmt, stellt sich die Frage gar nicht mehr, ob man seine Nutzer verkauft. Man hat es schon. Das nennt man Exit Plan”, schreibt Balkan auf seinem Blog. Sein Fazit: "Goodbye, Ello".
Ello-Sprecherin Rachel Fukaya beschreibt im Interview mit der DW ein anderes Geschäftsmodell. "Die wesentlichen Funktionen von Ello werden immer kostenlos bleiben", sagte sie. "Für sehr kleine Beträge werden wir spezielle Funktionen verkaufen, die einige Nutzer ihrem Account hinzufügen wollen. Uns schreiben Tausende Nutzer, für welche Funktionen sie bezahlen würden. Hier und da mal eine Funktion für ein paar Dollar zu kaufen, ist eine tolle Art ein anzeigenfreies Netzwerk zu unterstützen."
Dem Ansturm auf Ello tut diese Diskussion offenbar keinen Abbruch. Und nicht nur Nutzer werden angelockt, auch andere haben das Netzwerk für sich entdeckt: Am 29. September wurde die Ello-Website mit einer sogenannten DDOS-Attacke lahmgelegt. Wenig später war sie aber wieder für Neuanmeldungen erreichbar.