Aldis Seifenoper
21. Januar 2015Aldi wollte alles richtig machen - und hat damit genau das Gegenteil erreicht. Alles begann ausgerechnet mit einem Produkt, das wohl harmloser kaum scheinen könnte: mit Seife. Der darauf folgende Streit zeigt, wie angespannt die Stimmung in Deutschland zurzeit ist, wenn es um den Islam geht.
Die Probleme für Aldi Süd begannen im Dezember, als die Mitarbeiter Regale der Filialen mit der Flüssigseife "Ombia - 1001 Nacht" füllten. Der Name ist angelehnt an die Geschichten von "Tausendundeiner Nacht" aus dem Morgenland.
Entscheidend und eigentlicher Stein des Anstoßes war das Bild auf der Flasche mit - so die Kritiker - einer Moschee. Muslimische Kunden klagten, dies sei beleidigend, eine Moschee habe nichts mit einer Toilette zu tun. Viele von ihnen machten ihrem Ärger auf der Facebook-Seite von Aldi Süd Luft. "Die Moschee mit ihrer Kuppel und den Minaretten ist für muslimische Menschen ein Anblick, der für sie Würde und Hochachtung bedeutet. Und gerade aus diesem Grund finde ich es nicht angebracht, diese bedeutungsvolle Abbildung auf irgendeinem Gebrauchsprodukt darzustellen", lautete ein Kommentar.
Allergische Reaktion
Aldi hat schnell darauf reagiert. In einem Versuch, die Gemüter zu beruhigen, kündigte das Unternehmen auf Facebook an, die Seife aus den Regalen zu nehmen: "Es tut uns leid, dass es bei Ihnen aufgrund der Gestaltung unserer Seife zu Irritationen gekommen ist. Bitte seien Sie versichert, dass dies keinesfalls unsere Absicht gewesen ist. Das Produkt wird in Kürze nicht mehr in unseren Filialen erhältlich sein." Doch das war keineswegs das Ende vom Lied. Viele Kunden, die sich nicht an der Seife gestört hatten, ärgerten sich stattdessen über Aldis Reaktion, die sie für überzogen hielten. Ihrer Meinung nach hat sich Aldi dem Druck des politisch Korrekten gebeugt, außerdem, so zahlreiche Kommentare, habe das Bild auf der Flasche noch nicht einmal eine richtige Moschee gezeigt.
Das abgebildete Gebäude ist die Hagia Sophia in Istanbul. Sie wurde 532 als Kirche gebaut und nach der Eroberung des damals christlichen Konstantinopel durch die Osmanen 1453 in eine Moschee umgewandelt. Seit 80 Jahren ist sie ein Museum.
Für die PR-Expertin Annette Lemm jedenfalls ist die Kritik überzogen: "Mal ehrlich: Wer kann ernsthaft in Erwägung ziehen, ein Produkt vom Markt zu nehmen, auf dem ein Museum abgebildet ist?", sagte Lemm der Deutschen Welle. Doch um rationale Argumente ging es schon bald nicht mehr. Denn vor dem Hintergrund der islamistischen Anschläge von Paris und der Pegida-Demonstrationen in Deutschland gegen eine empfundene "Islamisierung des Abendlandes" war die Stimmung aufgeladen.
Nazi-Kaffeesahne
Verglichen mit dieser komplizierten Lage führte ein Bild aus einem ganz anderen Kontext zu einer vergleichsweise eindeutigen Reaktion. Im April vergangenen Jahres zog das deutsche Möbelhaus Zurbrüggen eine Tasse aus dem Verkehr, auf der ein Kunde ein bekanntes Konterfei entdeckt hatte. Zwischen Rosen und einem romantischen Gedicht war auf der Tasse eine alte deutsche Briefmarke mit dem Kopf Adolf Hitlers zu sehen. Der Firmenchef versuchte sich zunächst mit dem Argument aus der Affäre zu ziehen, die Tassen würden in China hergestellt, wo man wohl weniger empfindlich mit dem Führer und seinem Abbild umgehe als in Deutschland. Doch das half nicht. Zurbrüggen rief schließlich die Tassen zurück und bat diejenigen Kunden, die schon eine hatten, darum, ihre Trinkgefäße gegen einen Warengutschein im Wert von 20 Euro einzutauschen.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich im Oktober in der Schweiz, wo die Supermarktkette Migros Portionsbecher mit Kaffeesahne vertrieb, auf denen Bilder von Hitler und Italiens früherem Diktator Benito Mussolini zu sehen waren. Als darüber ein Skandal losbrach, beeilte sich Migros zu versichern, man habe sich von dem Zulieferer der faschistischen Sahnebecher, dem Karo-Versand, getrennt. Karo-Geschäftsführer Peter Wälchli sah allerdings kein Problem in den Becherfolien. Journalisten sagte er damals, die Fotoreihe mit alten Zigarrenbauchbinden auf den Folien sei für Sammler gedacht. Die große Mehrheit der Schweizer sah die Sache dagegen entschieden anders und machte sich in den sozialen Medien entsprechend Luft.
Absolute Offenheit
Das war aber vor den Pariser Attentaten. Der Seifenstreit dagegen wird nun in einer weitaus brisanteren Zeit ausgetragen. Möglicherweise hat einige Verantwortliche bei Aldi Panik ergriffen, als Kunden die "1001-Nacht"-Seife als religiös anstößig bezeichneten. Offenbar wollte das Unternehmen einen Skandal abwenden. Doch es erreichte eher das Gegenteil.
Die PR-Expertin Annette Lemm rät: "Aus dem Desaster, das jetzt entstanden ist, kommen die Verantwortlichen meiner Meinung nach nur durch absolute Offenheit und Ehrlichkeit heraus, die Umstände und Abläufe erklärt, wie es zu der Reaktion gekommen ist." Doch selbst wenn Aldi Süd das täte, könnte es bereits zu spät sein. Viele Kunden haben sich bereits in den sozialen Medien über das Verhalten des Discounters lustig gemacht. Einige haben gewitzelt, Aldi solle alle tierischen Produkte aus dem Sortiment nehmen, um nicht die Gefühle von Veganern zu verletzen. Andere haben schlicht angekündigt, Aldi von jetzt an zu boykottieren.