Zwei Erzrivalen wollen Regierung bilden
3. September 2009Mehr als zwei Monate sind seit den Parlamentswahlen in Albanien vergangen. Nun hat Premierminister Sali Berisha eine Koalition mit der Sozialistischen Integrationsbewegung LSI geschlossen. Der LSI-Vorsitzende Ilir Meta wird den Posten des Außenministers erhalten. Seine Partei wird außerdem die Ressorts für Wirtschaft und Gesundheit besetzen. Alle anderen Minister stammen von Berishas Demokratischer Partei. Erstmals bilden damit zwei Parteien des bisher stark polarisierten linken und rechten Spektrums eine Koalition. Die LSI ist eine Abspaltung der oppositionellen Sozialisten, die wiederum reformierte Nachfolger der Partei der Arbeit aus kommunistischer Zeit sind. Die Demokraten hingegen sind aus den antikommunistischen Studentenprotesten vor zwanzig Jahren hervorgegangen und waren bislang Erzrivalen sowohl der LSI als auch der Sozialisten. Die in den Wahlen unterlegenen Sozialisten erklärten unterdessen, dass sie das Wahlergebnis nicht anerkennen würden und kündigten einen Parlamentsboykott an. Dabei beriefen sie sich auf verschiedene Mängel im Wahlprozess.
Gemeinsamer Rivale
Dass die Wahlverlierer einen Parlamentsboykott ausrufen, ist für Albanien nichts Neues. Seit dem Ende des Kommunismus gab es kaum eine Wahl, beider die Verlierer nicht versucht hätten, auf diese Weise die Legitimität der Regierung zu schwächen – meist ohne Erfolg. Dieses Trotzverhalten schadet dem demokratischen Prozess und bringt das Land nicht voran. Der Linksliberale Ilir Meta und Premierminister Sali Berisha hingegen haben durch ihre Koalition Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Sie haben gezeigt, dass es durchaus möglich ist, ideologische Lager zu überwinden. Schwer ist es ihnen wohl nicht gefallen, da Berisha und Meta eines gemeinsam haben: ihre Rivalität mit den Sozialisten.
Selektion durch neues Wahlgesetz
Das neue proportionale Wahlsystem hat fast allen der 45 kleinen Parteien in Albanien die Lebensgrundlage entzogen. Nur noch sechs Parteien gibt es im neuen Parlament. Davon bekommen drei nur jeweils einen Sitz. Im Kern bleibt also ein Drei-Parteien-System übrig. In diesem neuen System ist Koalitionsfähigkeit über ideologische und persönliche Konfliktlinien hinweg gefordert. Die relevanten Parteien des Landes unterscheiden sich programmatisch ohnehin kaum voneinander. Sie streben ein weitgehend liberales Wirtschaftssystem mit grundlegenden sozialen Sicherungen an, sind rückhaltlose Befürworter der NATO und möchten das Land in die EU führen. Die Konflikte zwischen den Parteien gehen also nicht auf ideologische Brüche zurück, sondern auf Verteilungskämpfe für die eigenen Klientelgruppen und ein tief verwurzeltes Misstrauen gegeneinander.
Chance für überparteiliche Verwaltung
Insofern ist auch zu hoffen, dass die neue Koalition eine neue politische Kultur des Vertrauens hervorbringt. Die Wahlen haben gezeigt, dass zwar die Verwaltung technisch vieles besser umgesetzt hat als in den letzten Jahrzehnten, aber die Parteien haben sogar selbstverständliche Verwaltungsvorgänge zum politischen Machtkampf genutzt. Die neue Koalition böte die Chance, endlich eine überparteiliche Verwaltung aufzubauen, die nicht mehr politisch instrumentalisiert wird und auch Kontinuität und Vertrauen über den Zeitraum einer Legislaturperiode hinaus genießt. Diese Chance sollten Berisha und Meta nutzen.
Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Bernd Johann