Albanien Wahlen
10. Juni 2011Trotz der schweren politischen Krise in Albanien war es der fairste Wahlverlauf seit dem Zusammenbruch des Kommunismus vor 20 Jahren. Das haben viele Beobachter bestätigt. „Trotz eines polarisierten Wahlkampfes sind die Wahlen am 8. Mai sehr gut verlaufen“, sagte die deutsche Botschafterin in Tirana, Carola Müller-Holtkemper.
Es gab aber dennoch Unregelmäßigkeiten, wie zum Beispiel gerade in der Hauptstadt Tirana. Hier hatte ursprünglich der sozialistische Oppositionsführer und amtierende Oberbürgermeister Edi Rama die Wahl mit zehn Stimmen Vorsprung gewonnen. Die von der Regierungspartei dominierte zentrale Wahlkommission entschied sich aber zu einer Neu-Auszählung und beschloss, angeblich in falsche Urnen eingeworfene Stimmen für gültig zu erklären. So kam es, dass der Kandidat der regierenden Demokraten, Lulzim Basha, am 23.Mai mit 81 Stimmen Vorsprung zum Sieger erklärt wurde. Die Neuauszählung wurde von Ramas Sozialistischer Partei für ungültig erklärt. Die Richter haben indes am 3.Juni 2011 die Klage der Opposition zurückgewiesen und das Vorgehen der Wahlkommission für rechtmäßig erklärt.
Empörung der Opposition
Die Anhänger der sozialistischen Opposition warfen der konservativen Regierung vor, den knappen Sieg des bisherigen Amtsinhabers Edi Rama in Tirana in eine Niederlage ummünzen zu wollen. Es gab heftige Proteste und auch tätliche Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Nach Ansicht der stellvertretenden Leiterin der Wahlkommission, der Sozialistin Deshira Subashi, wurde wegen der Neuauszählung der Stimmen das Wahlrecht schwerwiegend verletzt: „Auf das Wahlergebnis von Tirana sind willkürlich zusätzliche Stimmzettel mitgezählt worden, was im Wahlgesetz nicht vorgesehen ist“, sagte sie der Deutschen Welle.
Vorwürfe zurückgewiesen
Diesen Vorwürfen widersprach der Vorsitzende der Wahlkommission Arben Ristani von den Demokraten: „Selbstverständlich ist diese Auszählungsweise im Wahlgesetz vorgesehen. Die Wahlkommission unternimmt gar nichts außerhalb des gesetzlichen Rahmens. Tatsache ist aber, dass diese Praxis zum ersten Mal angewendet wurde.“
„Das Verfahren bei der Stimmenzählung spricht für ein sehr mangelhaftes Wahlgesetz“, sagt der sozialistische Abgeordnete und Rechtsexperte Damian Gjiknuri und fügt hinzu: „Dadurch ist das Vertrauen der Wähler in das Wahlsystem erschüttert worden. Deshalb droht dem Land eine tiefe Krise.“
EU als Beispiel
„Der Missbrauch der Wahlordung für politische Zwecke ist die Achillesferse dieses Systems“, betont im Gespräch für die Deutsche Welle der Vorsitzende des Wahlkollegiums, Tom Ndreca. Deshalb empfiehlt er, elektronische Systeme wie in den EU-Ländern einzuführen. Somit würde eine unabhängige Zählung der Stimmen gewährleistet.
Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben Albanien Rechtsgutachten angeboten. Gleichzeitig riefen sie die politischen Parteien zur Zusammenarbeit und zur Reform des Wahlgesetzes auf.
Mehrheit will den Wechsel
Das Anfechten der Wahlen ist für Albanien nicht neu. Bei den letzten Parlamentswahlen vom 28. Juni 2009 hatte die sozialistische Opposition das Ergebnis nicht akzeptiert und der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen. Es folgten Parlamentsboykotte, Massenproteste, Hungerstreiks bis hin zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften am 21. Januar 2011. Ein Protest vor dem Sitz des Regierungschefs endete blutig mit vier Todesopfern.
In vielen Internetforen fordern die Albaner einen Regierungswechsel in Tirana. Den Kommunalwahlen wurde große Bedeutung für die Annäherung Albaniens an die EU beigemessen. Die USA und die EU haben sogar großzügige finanzielle Hilfen gegeben, um eine faire Wahl zu ermöglichen. Laut Experten zeigt der Wahlausgang aber, dass Albanien die demokratische Reife noch nicht erreicht hat. Sie befürchten vielmehr, dass die Integration Albaniens in die EU wieder in weite Ferne gerückt ist.
Autorinnen: Vilma Filaj / Belma Fazlagic-Sestic
Schlussredaktion: Robert Schwartz