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Alarm im deutschen Nachwuchsfußball

Stefan Nestler mit sid, dpa
31. Juli 2018

Nach dem peinlichen WM-K.o. in Russland konzentriert sich die Debatte über die Zukunft des deutschen Fußballs auf die Spitzen von Nationalmannschaft und DFB. Doch eigentlich müsste man schon im Juniorenbereich ansetzen.

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DFB U 17 Trainingslager La Manga
Bild: picture-alliance

Nicht nur die deutsche A-Fußball-Nationalmannschaft hat sich bei der WM in Russland blamiert. Auch einige Junioren-Teams des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) haben sich zuletzt alles andere als mit Ruhm bekleckert: Die U17 kam über die Vorrunde der EM 2018 in England nicht hinaus, die U19 konnte sich nicht einmal für die EM in Finnland qualifizieren, die U20 scheiterte bei der WM 2017 in Südkorea bereits im Achtelfinale. Auch auf Vereinsebene sieht es kaum besser aus. In der vergangenen Champions-League-Saison nahmen vier U19-Teams an der so genannten "UEFA Youth League" teil. Einzig der Nachwuchs von Borussia Dortmund erreichte das Achtelfinale, wo für die BVB-Junioren dann Endstation war.

Weniger Talente

Stefan Kuntz schlägt Alarm. "Wir merken in unseren U-Mannschaften, dass die Toptalente in einem Jahrgang etwas weniger werden. Das ist immer ein Alarmzeichen", sagte der DFB-Trainer, der 2017 die deutsche U21 zum Europameister-Titel geführt hatte, beim internationalen Trainerkongress in Dresden. Auch die immer häufigeren Transfers von internationalen Teenagern zu Bundesliga-Topklubs seien ein solches Signal.

WM 2018 - Stefan Kuntz
DFB-Trainer Stefan Kuntz bei der U21-EM in PolenBild: picture-alliance/dpa/J.Woitas

Kuntz sieht die Ursachen dafür auch in einer Über-Betreuung der Jugendspieler. "Den Spielern wird heute unwahrscheinlich viel abgenommen, sie regeln die Konflikte nicht mehr selber", sagte der DFB-Coach. "Und wenn es bei einem Verein nicht klappt, wird einfach der nächste Verein genommen. Dann kommt irgendwann der Punkt, wo du gegen einen gleichstarken Spieler spielen musst, der diese Durchsetzungsfähigkeit hat."

Spielerberater schon ab der U14

Die Jugendlichen mögen vielleicht zu guten Fußballern erzogen werden, nicht jedoch zu Eigenverantwortlichkeit. Spielerberater machen regelrecht Jagd auf sehr junge, vielversprechende Talente und entscheiden anschließlich für sie. "Ab der U14 bzw. U15 geht es mittlerweile los", sagte Markus Hirte, Leiter des Nachwuchszentrums von Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf, dem "Handelsblatt": "In der U19 hat dann fast jeder Spieler einen Berater."

Individueller arbeiten

Jahrelang war Deutschland im Nachwuchsbereich die Nummer eins, das System der Fußballinternate wurde international als vorbildlich gerühmt. Doch die Konkurrenten schliefen nicht. Inzwischen haben die U-Teams aus England die Mannschaft des DFB von der Spitze verdrängt. "Dort wird der Maßstab gesetzt", räumte Joti Chatzialexiou ein, seit Anfang 2018 "Sportlicher Leiter der DFB-Nationalmannschaften": "Die Engländer arbeiten mit ihren Spielern sehr individuell, das muss auch unsere Richtung sein."

Ähnlich hatte sich bereits Ende 2017 Ex-Nationalspieler Mehmet Scholl bei seiner Kritik am deutschen Ausbildungssystem geäußert, wenn auch etwas pointierter: "Die Kinder müssen abspielen und dürfen nicht mehr dribbeln. Sie kriegen nicht die richtigen Hinweise, warum ein Pass oder ein Zweikampf nicht gelingt. Stattdessen können sie 18 Systeme rückwärts laufen und furzen."

Rückbesinnung auf Straßenkicker

Symbolbild - Strassenfussball
Straßenfußball als Erfolgsrezept?Bild: picture-alliance/blickwinkel/fotototo

Einfach wieder kicken lassen, fordern die Kritiker. Dieser Ruf scheint inzwischen auch beim DFB angekommen zu sein. "Lasst uns den Straßenfußball in die Vereine holen", sagte Joti Chatzialexiou beim Trainerkongress in Dresden. "Made in Germany muss wieder Ausdruck für Weltklasse sein." Ohne junge Talente, die nachrücken und den Etablierten Druck machen, wird das nicht möglich sein. Der Nachwuchsbereich muss also mit hinein in die Diskussion über einen Neuanfang im deutschen Fußball nach dem blamablen WM-Aus der Nationalmannschaft.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter