"Unsere Gesellschaft ist bereit für autofahrende Frauen!
26. Oktober 2013DW: Frau Al-Yousef, Ihre Kampagne zielt darauf ab, Frauen in Saudi-Arabien zum Autofahren zu ermutigen und das staatliche Fahrverbot zu kippen. Wie ist es zu dieser Initiative gekommen?
Aziza Al-Yousef: Wir haben diese Kampagne bereits im September angestoßen. Die Idee war, den Frauen genug Zeit zu geben, sich an das Autofahren heranzuwagen. Wir wollten außerdem auch den einfachen Bürgern ausreichend Zeit einräumen, sich an autofahrende Frauen in Saudi-Arabien zu gewöhnen. Am 26. Oktober 2013 werden diese Frauen nun alle Auto fahren - und dies mit selbstgedrehten Videos auch dokumentieren.
Aber es gibt doch großen Widerstand in Saudi-Arabien gegen diese Initiative - vor allem im religiösen und politischen Establishment. Sind Sie auf eine mögliche Konfrontation mit diesem Establishment vorbereitet?
Ich rechne eigentlich nicht damit, dass wir mit dem Establishment kollidieren werden. Es gibt dort ja auch Personen, wie zum Beispiel den Justizminister, die erklärt haben, es gebe keine religiösen Hindernisse für Frauen hinterm Steuer. Auch die islamische Religionspolizei hat diesmal erklärt, sie wolle sich da heraushalten und autofahrende Frauen nicht stoppen. Und der Direktor des staatlichen Verkehrswesens hat erklärt, dass Frauen, die ohne Führerschein Auto fahren, lediglich einen Strafzettel erhalten würden. Außerdem hat König Abdullah zum Thema Frauen und Autofahren gesagt, dass dies eine Angelegenheit der Gesellschaft sei. Hier setzen wir an! Unser Ziel ist es, die Gesellschaft über unser Anliegen zu informieren und ihre Bereitschaft zu testen. Ich denke, dass unsere Gesellschaft bereit für autofahrende Frauen ist.
Ein saudischer Gelehrter hingegen hat erklärt, Autofahren würde den Frauen körperlichen und psychischen Schaden bringen und könne sich sogar negativ auf ihre Fruchtbarkeit auswirken.
Ich bin der Ansicht, dass er sich mit dieser Meinung selbst schadet. Er äußert sich über ein Thema, von dem er offensichtlich nichts versteht. Dieser Gelehrte spricht nur für sich selbst, nicht für das gesamte religiöse Establishment. Ich denke, er macht sich damit lächerlich.
Warum haben Sie das Internet als Plattform gewählt?
Damit wir möglichst viele Menschen erreichen können. Wir müssen mit den sozialen Medien arbeiten, weil die Leute hierzulande die ganze Zeit über Facebook und Twitter nutzen. Ich gehe davon aus, dass die Anzahl der Internet-Nutzer höher liegt als die der TV-Zuschauer. Das Internet ist zudem das einzige Medium, dass uns überhaupt zur Verfügung steht.
König Abdullah hatte Anfang des Jahres erstmals 30 Frauen in den Schura-Rat berufen, ein politisches Konsultationsgremium. Bedeutet dies: Frauen dürfen in die Politik - aber nicht hinters Steuer?
Genau das ist die Frage, auf die wir eine Antwort suchen. Drei weibliche Mitglieder des Schura-Rates haben diesbezüglich sogar eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis lautet: Es kann nicht sein kann, dass Frauen wichtige politische Ämter bekleiden - aber dann nicht selbst mit ihrem Auto zum Arbeitsplatz fahren dürfen.
Sie selbst werden sich am 26. Oktober dann ja sicherlich auch wieder hinters Steuer setzen.
Natürlich - ich fahre sogar schon jetzt täglich Auto. Um genau zu sein, seit dem 17. Juni. Der 26. Oktober ist für mich insofern nur eine Fortsetzung dessen, was ich seitdem tagtäglich tue: Ich fahre jeden Tag mit meinem Auto durch die Straßen von Riad. Und ich wurde dabei nie belästigt, angehalten oder ähnliches. Und - nebenbei bemerkt - ich habe dadurch natürlich auch keinerlei gesundheitliche Schäden erlitten.
Aziza Al-Yousef ist Dozentin an der König-Saud-Universität in Riad und eine der Initiatorinnen des Aktionstags.
Das Interview wurde in arabischer Sprache geführt und wird hier in einer gekürzten Form wiedergegeben.