Aktionsplan gegen Lebensmittelbetrug
18. Februar 2013Noch im Januar bei der "Grünen Woche", der Lebensmittelmesse in Berlin, freute sich Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (im Artikelbild rechts) darüber, dass es seit längerem keinen Lebensmittelskandal in Deutschland mehr gegeben habe. Die Lage änderte sich schnell. Es ist gerade mal Mitte Februar und Deutschland steckt mitten in einem neuen Lebensmittel-Skandal - und ist damit nicht allein in Europa. Weil ein halbes Dutzend Länder in betroffen sind, spricht man inzwischen vom pan-europäischen Pferdefleisch-Skandal. Die europäische Polizeibehörde Europol ermittelt. Vergangenen Freitag (15.02.2013) beschloss die Europäische Union einen Aktionsplan zur Aufklärung.
An diesem Montag - dem Tag vier nach Bekanntwerden der ersten Betrugsfälle im deutschen Handel - traf sich nun die Bundesministerin mit ihren Fachministern aus den Bundesländern zu einem "Pferdefleisch-Gipfel". Schon vor dem Treffen hatte die CSU-Politikerin Aigner die Dringlichkeit dafür unterstrichen: "Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern Betrug." Im Moment wisse zudem niemand, ob die entdeckten Fälle nur die Spitze des Eisbergs seien.
Schwerpunkt Aufklärung
Die Minister einigten sich auf einen Zehn-Punkte-Plan. Ziel sei vor allem, die Vorkommnisse aufzuklären und Kontrollprozesse zu optimieren, sagte die hessische CDU-Ministerin Lucia Puttrich (links im Bild). Dabei werde Deutschland mehr tun, als im EU-Aktionsplan vorgesehen. Im Rahmen eines Deutschland-Plus-Programms sollen die DNA-Analysen auch auf andere Fleischsorten ausgeweitet werden, gab Ministerin Aigner bekannt. "Wir rechnen mit mehr Fällen." Es gebe derzeit fünf Hauptspuren, wo überall Pferdefleisch illegal verwendet wurde, ergänzte ein Mitarbeiter ihres Ministeriums. Dennoch gehe es nicht vordergründig um die Menge von Kontrollen, sondern um die Qualität der Stichproben, erläuterte die hessische Ministerin Puttrich.
Des Weiteren gaben die Minister bekannt, alle Kontrollsysteme für Lebensmittel, auch die Eigenkontrollsysteme der Unternehmen, überprüfen zu wollen. Ebenso soll die Informationspflicht der Unternehmen gegenüber Behörden einer Prüfung unterzogen werden. Besondere Beachtung fand der Punkt, dass der Sanktionsrahmen für Strafen bei Betrug überarbeitet werden soll. Auch sei daran gedacht, sogenannte Unrechtsgewinne abzuschöpfen. "Betrug soll so unattraktiv wie möglich gemacht werden", sagte Puttrich. Offen blieb, wann diese Maßnahmen konkret umgesetzt werden sollen und wann eine Evaluation stattfindet.
Wer kann haftbar gemacht werden?
Das Spitzentreffen in Berlin dauerte länger als geplant. Das könnte auch am Druck der SPD-geführten Bundesländer gelegen haben. Minister Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern sagte, die SPD habe zusätzliche Punkte durchgesetzt, die über den Entwurf der Bundesministerin hinaus reichten. Dabei ging es, so Backhaus, um die Höhe der möglichen Strafen, das Problem des Preiskampfes, "den klaren Auftrag an die Bundesministerin, auf EU-Ebene Transparenz über die Herkunft auch bei verarbeiteten Lebensmitteln durchzusetzen" und um die Mit-Verantwortung der Handelsketten.
Auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch forderte am Montag, die Handelsketten sollten stärker haftbar gemacht werden können. Das beträfe vor allem die Betrugsfälle bei sogenannten Hausmarken, sagte der stellvertretende Geschäftsführer, Matthias Wolfschmidt. Denn manche Handelsketten beziehen Fertigprodukte von Fremdfirmen für ihre Hausmarken.
Aigner: Neue EU-Herkunftsregelung kommt früher
Unterdessen wächst auch der Druck aus Europa. EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg drohte den Hintermännern des Skandals in einem Zeitungsinterview mit der "vollen Härte des Strafrechts". Zuvor hatte sich auch der schwedische Landwirtschaftsminister, Eskil Erlandsson, für ein hartes Vorgehen ausgesprochen. Die Verantwortung trage derjenige, der ein Produkt auf den Markt bringe. Erlandsson sprach sich für Strafen aus, "die so sehr schmerzen, dass sie eine deutliche Abschreckungswirkung entfalten".
Ministerin Aigner kündigte an, dass die Europäische Union Tempo bei neuen politischen Regelungen machen wolle. Im November 2011 hatte die EU eine Lebensmittelinformationsverordnung beschlossen. Danach muss bei frischem Rindfleisch die Herkunft des Tieres ausgewiesen werden. Ab Dezember 2014 soll diese Regelung auch für Schafe, Ziegen, Geflügel und Schwein gelten. In der Diskussion war zudem eine Herkunftsregelung auch für Produkte, die aus mehreren Lebensmitteln bestehen. Ministerin Aigner sah sich vor der Presse am Montag Vorwürfen ausgesetzt, diese Regelung damals mit blockiert zu haben. Aigner entgegnete, die EU-Kommission habe den Auftrag bekommen, eine solche Regelung zu prüfen. Das Ergebnis soll, so Aigner, nun bereits im Herbst und nicht erst Ende des Jahres vorliegen.
Kritik am Vorgehen der Bundesregierung kommt auch von den Grünen. Ihr Vorsitzender Cem Özdemir sagte, Aigner sei Weltmeisterin im Ankündigen. Wenn jedoch die Welle der Empörung über einen Skandal abgeklungen sei, dann fehle es an konkreten Maßnahmen.