Akins Chance in Cannes
22. Mai 2007Fatih Akin ist in Hamburg aufgewachsen und ein Kind türkischer Eltern. In seinem ersten, realistisch gefärbten Spielfilm "Kurz und schmerzlos" ging es um drei jugendliche Freunde auf der Suche nach Glück, Liebe, Macht und Reichtum. Das war zuviel auf einmal und ging für einige der Protagonisten nicht gut aus.
Sein zweiter Spielfilm "Im Juli" handelte vordergründig von Liebe und erzählte von zwei jungen Menschen, die erst nach einer Reise von Tausenden von Kilometern zwischen Deutschland und der Türkei zueinander finden. Für diese recht einfache Geschichte bemühte Fatih Akin gleich mehrere Film-Genres: vom wilden Märchen und der Romantic Comedy bis hin zum Road Movie.
Weit gereister Filmemacher
Akin kennt die Strecke von Hamburg nach Istanbul sehr gut. Er fuhr sie als Kind in den Sommerferien regelmäßig mit seinen Eltern. "Man setzte sich ins Auto - so richtig klischeehaft: 'Türkenbomber, Ford Transit, Dachgepäckträger' und so - und dann ab", erzählt er. "Als Kind war das für mich etwas Unglaubliches, etwas Großes, immer ein Abenteuer, diese Reise. Der Urlaub war so sekundär für mich. Im Vordergrund stand diese Reise." Später habe er immer gesagt, er würde gerne einen Film über diese Reise machen. "Das ist vielleicht der größte biografische Aspekt in diesem ganzen Ding."
Fatih Akin versteht es, die Genres gekonnt zu wechseln, auch wenn er in seinen ersten beiden Filmen mitunter ein bisschen zu verspielt war und sich von keiner originellen Idee trennen mochte. Seine Vielseitigkeit stellte er mit "Solino" unter Beweis, der im Milieu italienischer Einwanderer im Ruhrgebiet spielte. Erstmals hatte Akin ein fremdes Drehbuch adaptiert. Doch "Solino" wirkte ein wenig glatt, weniger originell.
Befreiungsschlag
Umso überraschender war dann sein filmischer Befreiungsschlag "Gegen die Wand", der auch durch seine gut geschriebenen Dialoge so überzeugte. "Gegen die Wand" war einer der schönsten deutschen Filme der vergangenen Jahre, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte voller Leidenschaft, Verzweiflung, Gewalt und mit viel Humor. Akin überzeugte damit alle Kritiker, die ihm vorwarfen, mitunter zu gefällig gewesen zu sein. Sein Mut wurde belohnt. Mit seinem bisher radikalsten Film gewann er den "Goldenen Bären" bei der Berlinale 2005.
Akin ist im positiven Sinne ein Gefühlsmensch, trifft viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus, und er hat eine gute Hand für Schauspieler. Nach dem Erfolg und Trubel um "Gegen die Wand" hatte der deutsch-türkische Regisseur noch "ein wenig Kraft", wie er sagte. Diese investierte er in den Musikfilm: "Crossing the Bridge - The Sound of Istanbul".
Naivität erhalten
Auf die Frage, ob er überzeugt ist, dass mit Musik etwas verändert werden könne, sagt er: "Ich finde es schade, dass es als etwas abgetan wird, was von früher ist." Das sei auch ein ewiger Streitpunkt mit seinen älteren Freunden. Von ihnen habe er gehört, die Aussage eines Protagonisten im Film, man könne die Welt mit Musik verändern, komme 20 oder 30 Jahre zu spät. Akin sieht das anders. Das sei vielleicht naiv, meint er, aber er glaube daran.
Gerade weil Fatih Akin im positiven Sinne naiv geblieben ist, gibt es bei ihm diese Bereitschaft, sich zu hinterfragen und eigene Meinungen zu ändern. So bleibt er ein Filmemacher, der den Zuschauer überrascht und von dem man auch in Zukunft noch vieles erwarten kann - auch in Cannes. Dort ist Akin in diesem Jahr mit seinem neuen Film, dem deutsch-türkischen Drama "Auf der anderen Seite", erstmals vertreten.