Chameneis Schwester kritisiert das Regime
7. Dezember 2022"Ich denke, es ist an der Zeit zu erklären, dass ich gegen die Taten meines Bruders bin", schreibt Badri Hosseini Chamenei in einem Brief, der auf dem Twitter-Account von ihrem in Frankreich lebenden Sohn Mahmud Moradchani veröffentlicht wurde. Sie ist eine Schwester des geistlichen und politischen Oberhauptes im Iran, Ajatollah Ali Chamenei. "Zudem spreche ich allen Müttern, die unter den Verbrechen der Islamischen Republik ab Khomeinis Zeiten bis zu der jetzigen Ära des tyrannischen Kalifats von Ali Chamenei leiden, mein Mitgefühl aus." Die Iranische Revolutionsgarde rief sie dazu auf, ihre Waffen niederzulegen und das Volk zu unterstützen, "bevor es zu spät ist". Datiert ist der Brief mit "Dezember 2022".
Badri Hosseini Chamenei lebt im Iran. Ende November hatte bereits ihre Tochter Farideh Moradchani in einer Video-Botschaft die internationale Isolierung des Irans gefordert. Sie begründete ihren Aufruf mit dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Daraufhin wurde sie festgenommen. Moradchanis kürzlich verstorbener Vater, Ali Moradchani Arange, war ein schiitischer Geistlicher und bekannter Oppositioneller.
Ex-Präsident Chatami fordert, auf die Demonstranten zuzugehen
Doch auch von anderer Seite wächst die Kritik am oftmals brutalen Vorgehen des Mullah-Regimes gegen die seit Mitte September demonstrierende Bevölkerung. Der frühere iranische Präsident Mohammed Chatami warnte die Führung des Landes vor einer weiteren Niederschlagung der Proteste. "Man sollte Sicherheit nicht als Vorwand nehmen, um Freiheit zu unterdrücken", zitierte die Tageszeitung "Shargh" den islamischen Geistlichen. Chatami mahnte, die Forderungen ernst zu nehmen. Die Protestbewegung fordere eine bessere Zukunft. Die Politik sollte ihr die Hand reichen, "bevor es zu spät ist". Chatami war zwischen 1997 und 2005 iranischer Präsident.
Insbesondere von jungen Anhängerinnen der Protestbewegung wird allerdings auch Chatami als "Mann des Systems" abgelehnt. Dennoch könnte er laut Beobachtern eine wichtige Vermittlerrolle in der festgefahrenen politischen Situation einnehmen.
Staatschef Raisi zeigt sich unnachgiebig
Dagegen gab sich Präsident Ebrahim Raisi bei einem Treffen mit systemtreuen Studenten an der Universität von Teheran kämpferisch. Er wiederholte seine Behauptung, die USA heizten die Proteste an und wollten den Iran zerstören.
Unterdessen öffneten viele Ladenbesitzer aus Protest den dritten Tag in Folge nicht ihre Geschäfte. Auf Videos der Organisation Iran Human Rights (IHR), die ihren Sitz in der norwegischen Hauptstadt Oslo hat, waren geschlossene Läden in Teheran, im westlich der Hauptstadt gelegenen Kaswin, in der Stadt Rascht im Norden des Irans und in Kurdistan zu sehen.
Laut Augenzeugen gingen Sicherheitskräfte in Teheran wieder mit Gewalt gegen protestierende Studenten vor. Es gab Verletzte. Menschen wurden festgenommen. Polizei, Milizen und andere Einheiten waren mit einem massiven Aufgebot auf den Straßen. Trotz kaltem Winterwetter folgten vielerorts junge Frauen und Männer den landesweiten Aufrufen zu Protesten.
Die Protestbewegung gestaltet sich für die geistliche Führung im Iran zur größten Herausforderung seit der Islamischen Revolution 1979. Damals war der Schah gestürzt worden - es wurde die Islamische Republik ausgerufen, mit Ajatollah Ruhollah Chomeini als geistlichem und politischem Oberhaupt. Auf seinen Tod 1989 folgte Chamenei.
se/wa (rtr, afp, dpa, ap)