Schnüffelei in Unternehmen
2. April 2009Es scheint immer üblicher zu werden, Mitarbeiter zu überwachen. Die Gründe sind manchmal vielleicht sogar verständlich. Jahr für Jahr meldet das Bundeskriminalamt finanzielle Schäden von mehreren Milliarden Euro, die auf Unterschlagung, Betrug, Diebstahl und Betriebsspionage zurückgehen.
Schutz vor Korruption?
Auch Professor Peter Wedde hat Verständnis für jene Arbeitgeber, die Korruption bekämpfen. "Das muss aber im rechtlich legalen Rahmen erfolgen“, sagt der Datenschutz-Experte. Das bedeutet: Die Arbeitnehmer und der Betriebsrat müssten vorab informiert werden, welche Kontrollen stattfinden. Grundsätzlich gilt, so Wedde von der Fachhochschule Frankfurt: "Nur solche Kontrollen, die unbedingt notwendig sind!“ Die Verhältnismäßigkeit der Mittel müsse gewahrt sein.
Was das konkret bedeutet, erläutert Dietmar Müller, Pressesprecher beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz in Bonn: "Ich kann nicht hingehen und meine gesamten Mitarbeiter überprüfen, um nur auf Verdacht nach irgendwelchen Ungereimtheiten zu suchen.“
Übertriebener Kontrollwahn?
Was juristisch feststeht: Arbeitgeber dürfen nicht dauerhaft und total überwachen - so wie einst beim Lebensmittel-Discounter Lidl, der den Auftakt machte in einer Kette von Überwachungsskandalen, die Deutschland in den vergangenen Monaten bewegt hat. Lidl ließ die Telefonate seiner Mitarbeiter belauschen und per Überwachungskamera registrieren, wer sich mit wem traf oder wie oft jemand zur Toilette ging. So etwas ist verboten und wurde mit Millionenstrafen belegt. "Bei der heimlichen Videoüberwachung ist sicher eine Grenze überschritten", so Pressesprecher Müller, "der Mitarbeiter muss erkennen, dass er überwacht wird und warum die Maßnahme erfolgt.“
Aber wie so oft im Leben: Auch bei der Kontrolle von Mitarbeitern gibt es mehrere Wahrheiten. Professor Wedde räumt ein, dass es Grenz- und Graubereiche gebe. Das liege daran, dass die rechtliche Situation ausgesprochen komplex und kaum durchschaubar sei. Arbeitgeber wüssten oft nicht mehr: Was ist erlaubt und was ist nicht erlaubt? Der Grund: "Es gibt bis heute kein klares Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz.“
Deshalb gilt so lange das Prinzip: Der Arbeitgeber muss das geringste Übel wählen. Er nimmt sein Recht auf Kontrolle in Anspruch, achtet aber die Persönlichkeitsrechte seiner Mitarbeiter, so gut es geht. Darf das Internet auch privat oder nur dienstlich genutzt werden? Darf nur dienstlich telefoniert werden? Und wie werden Verbote kontrolliert? All diese Detailfragen hängen ab von den jeweiligen Dienstvereinbarungen im Betrieb, die aber oftmals unbekannt sind. Und so weiß niemand so recht, was eigentlich gilt: weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer.
"Wenn Überwachung, dann bitte nicht heimlich!"
Dass Unternehmer kein Interesse daran haben, wenn Angestellte stundenlang privat im Internet surfen oder Geld in teuren Telefon-Hotlines verbrennen, ist verständlich. Deshalb dürfen Arbeitgeber nach geltendem Recht ihre Mitarbeiter kontrollieren - aber nicht, indem sie im Nachhinein lückenlos alle Daten überprüfen und E-Mail-Protokolle auswerten. Der legale Weg sieht so aus: "Der Chef darf Ihnen über die Schulter schauen und Sie fragen, wie Sie Ihren Arbeitstag verbracht haben.“
Anders bei den großen Skandale der letzen Monate: "Das waren rechtlich unzulässige Kontrollen“, sagt Datenschutzexperte Wedde, sieht aber nicht nur das juristische Problem. Letztlich müsse sich in den Köpfen etwas ändern - auf beiden Seiten. Wenn Arbeitnehmer den betrieblichen E-Mail- und Internet-Zugang missbrauchen, dann liege auch ein Management-Problem vor. Diese Auffassung werde in den meisten deutschen Unternehmen vertreten, aber offenbar nicht in den vorliegenden Skandal-Fällen von Bahn über Telekom bis Airbus. Der Frankfurter Datenschutzexperte gibt den Konzernlenkern zu bedenken: "Das schlägt auf die Arbeitsmoral der Mitarbeiter durch, wenn ein Unternehmen so rigide kontrolliert.“ Damit sei niemandem gedient.
Autor: Andreas Main
Redaktion: Kay-Alexander Scholz