Menschenrechte wichtiger als Pandabär
11. Juli 2017Er hat das Gefängnis verlassen. Aber frei ist er nicht. Spürbar besorgt schildert der chinesische Künstler Ai Weiwei die Situation seines Freundes, des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Schriftstellers Liu Xiaobo. Der schwer an Krebs erkrankte chinesische Dissident war vor einigen Tagen aus der Haft in das Universitätskrankenhaus in Shenyang gebracht worden. Dort stehe er weiterhin unter massiver Überwachung durch die chinesischen Sicherheitskräfte, so Ai Weiwei. "Darum hat er das Gefängnis nicht wirklich verlassen."
Anfang der Woche war Liu Xiaobo von einem deutschen und einem amerikanischen Krebsspezialisten untersucht worden. Beide Ärzte hielten ihn für transportfähig. Dennoch stimmten die chinesischen Behörden der Überweisung nach Deutschland oder in die USA nicht zu. "Es geht ihm sehr schlecht", kommentierte Ai Weiwei im DW-Interview den Zustand seines Freundes. "Ich fürchte, sein Leben nähert sich dem Ende."
Zu Beginn dieser Woche hatte Bundeskanzlerin Merkel an China appelliert, Liu Xiaobo nach Deutschland ausreisen zu lassen. Dass sich China davon beeindrucken lässt, möchte Ai Weiwei nicht ausschließen, hält es aber für fraglich. "Eine solche Hoffnung hätte jeder gerne. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass das passiert. Es hängt vom internationalen Druck ab."
Menschenrechte statt Panda-Bär
Verhaltene Kritik übte Ai Weiwei auch an der Bundesregierung. "Deutschland hat viel getan - aber niemals genug." Sarkastisch äußerte er sich über die Begeisterung, die der aus China importierte Pandabär im Berliner Zoo derzeit genießt. "Ich hoffe, dass die Bundesregierung Liu Xiaobo in demselben Maß unterstützen wird, wie sie den Panda im Berliner Zoo anhimmelt."
Dies sei umso wichtiger, als das Schicksal Liu Xaobos von übergreifender Bedeutung sei. "Der Menschenrechtsverteidiger Liu Xao Bo ist nicht nur für die Chinesen wichtig, sondern für alle Menschen." Er hoffe, dass die deutsche Regierung das verstehe und sich mit aller Entschlossenheit für den Schutz der Menschenrechte einsetze.
Kann Deutschland mehr tun, um sich für Liu Xiaobo einzusetzen? Ja, ist Ai Weiwei überzeugt. "Die deutsche Regierung sollte die Menschenrechte als Grundlage aller Beziehungen wie auch von Freundschaft sehen. Wenn Deutschland Geschäfte mit China machen will, sollte man auch auf den dortigen Umgang mit den Menschenrechten achten."
Liu Xiabo steht für eine ganze Generation von Menschenrechtsaktivisten
Dies sei auch darum wichtig, weil Liu Xiaobo in China selbst nicht durch seine Bekanntheit geschützt sei. Die Zensur in China sei sehr stark. "Darum kennen die meisten Chinesen seinen Namen nicht, und deshalb interessieren sich viele Chinesen auch nicht für ihn."
Dabei stehe Liu Xiaobo für eine ganze Generation chinesischer Menschenrechtsaktivisten, auch wenn deren Zahl sehr überschaubar sei. "Das liegt auch an der Natur des Regimes: Es hat alle Schriftsteller, Intellektuellen und Künstler bestraft, die auf dem Prinzip der Redefreiheit und des unabhängigen Denkens bestehen. Darum gibt aber nicht viele, die das tun. Aber Liu Xaobo ist einer dieser Aktivisten.".
Die harte Hand des Regimes
Dass es so wenig sind, die auf den Prinzipien der freien Meinungsäußerung bestehen, hat für Ai Weiwei vor allem einen Grund: die harte Hand des Regimes. "Jeder, der sich als unabhängiger Geist äußert oder die politische Situation kritisiert, riskiert sein Leben", erklärt er mit Blick auf seine eigenen Erfahrungen im DW-Interview. "Es gibt sehr viele Rechtsanwälte, die sich im Gefängnis befinden oder gegen die ein Prozess geführt wird. Jeder, der über Freiheit, Demokratie und Menschenrechte spricht, - ganz unabhängig von seinem Hintergrund - lebt gefährlich. Hinzu kommt, dass die Strafen sehr hart ausfallen. Einige meiner Freunde sind zu lebenslanger Haft verurteilt worden."
Die Zukunft der Freiheitsrechte in China sieht Ai Weiwei verhalten. "Sie hängt von Menschen ab, die bereit sind, sich für ihre Verteidigung zu opfern." Ohne Menschen wie Liu Xiaobo gebe es darum keine Zukunft. Und wenn Regierungen, die mit China Handel trieben nicht zugleich auf Einhaltung der Menschenrechte bestünden, gebe es für diese ebenfalls keine Zukunft. "Dann haben sie nicht nur in China keine Zukunft, sondern in der ganzen Welt."