E-Learning boomt in Afrika
5. April 2020Wie gelingt das Studium während der sudanesischen Revolution? Wer kann in entlegenen Dörfern Nachhilfe in Mathe geben? Und wie lernen Kinder Lesen, wo keine Schule erreichbar ist? Neue Technologien bieten den Schlüssel. Immer mehr Lernende in Afrika nutzen das Smartphone, um sich weiter zu entwickeln. Damit können sie sich vernetzen und sich ein schier unerschöpfliches Wissen erschließen. E-Learning boomt und ist ein attraktiver Markt für junge Unternehmer. Mit kreativen Ideen machen sie sich daran, die große Lücke in den Bildungssystemen ihrer Heimatländer zu schließen. Die Liste der Start-ups ist lang, aber nicht alle dieser Firmen können den gewünschten Erfolg verbuchen.
Erfolgreiches Gründer-Duo
Zwei, die es geschafft haben, sind Massamba Thiam und Arona Gueye. Die beiden Senegalesen gründeten vor zwei Jahren "Afriboard Education". Mit dieser Plattform bedienen sie Schulen, vier Universitäten, schaffen aber auch speziell zugeschnittene Trainingseinheiten für die Angestellten von Unternehmenspartnern. In virtuellen Klassenräumen werden Unterrichtsinhalte vermittelt, Fortschritte in Tests abgefragt und Foren angeboten. Die spezielle Lernsoftware haben Thiam und Gueye in Dakar entwickelt, zusammen mit einem Team aus Kanada.
Beim Studium in Kanada waren die Jungunternehmer selbst zu begeisterten Nutzer von E-Learning-Apps geworden. Bei einem Heimatbesuch hörten sie sich dann in Schüler- und Studentenkreisen um. "Sie hatten Probleme mit überfüllten Klassenräumen und dem Austausch von Lerninhalten. Wir sahen großen Bedarf für alternative Lernformen", erzählt Massamba im DW-Interview. Sie überlegten, dass eine einfach strukturierte App Lernende neu motivieren könnte - auch in entlegenen Gegenden. "Das funktioniert auch mit Offline-Navigation, einer neuen Technologie von Google", sagt Massamba. "Die Schüler loggen sich ein, und wenn sie ihren Datenfluss abstellen, können sie trotzdem noch navigieren und arbeiten. Wir haben die Technologie so entwickelt, dass sie an die Situationen in Afrika angepasst ist." Jeder User zahlt eine geringe Nutzungsgebühr für den Service.
Regierungen unterstützen Start-ups
In den vergangenen zwanzig Jahren seien viele Eltern besorgt über die begrenzten Möglichkeiten der Schul- und Weiterbildung gewesen, sagt Massamba. E-Learning sieht er als die einzige Lösung. Senegals Regierung unterstützte das Geschäftsmodell der beiden Jungunternehmer mit einer Einstiegsfinanzierung aus einem Programm für erfolgversprechende Start-ups.
Für die Kommunikationsexpertin Rebecca Stromeyer ist die Finanzspritze für das senegalesische Start-up keine Überraschung. "Kenia, Ghana, Senegal, Elfenbeinküste, Südafrika, Nigeria und Ruanda zählen zu den Marktführern in Sachen E-Learning in Afrika. Die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern, das Bildungssystem dort, die Kreativität und Intelligenz der jungen Bevölkerung machen es möglich. Aber auch die Unterstützung seitens der Regierungen für Infrastruktur und Tech-Lösungen", sagt Stromeyer im DW-Interview.
Über 200 Start-ups in Afrika
Stromeyer arbeitet bei ICWE (Integrated Communications, Worldwide Events), einer internationalen Kommunikationsfirma in Berlin. Sie ist die Gründerin von eLearning Africa - einer Konferenz, die seit 2006 einmal jährlich auf dem afrikanischen Kontinent abgehalten wird. In einem E-Learning-Bericht vom Vorjahr veröffentlichte Stromeyer eine Liste von 200 innovativen Start-ups in Afrika, die inzwischen um 30 neue Firmennamen ergänzt werden müsse, sagt sie. Viele seien erfolgreich.
Zum Beispiel "Eneza" in Kenia, ein Unternehmen, das inzwischen auch in Ghana und der Elfenbeinküste aktiv ist. "Sie bieten Nachhilfe und Lernmaterialien für Grund- und Sekundarschüler an. Auch 'ubongo' in Tansania hat viel Lob erhalten. Sie arbeiten mit Bildungsmedien, das nennen sie Edu-tainment. Darunter sind Bildungsspiele, um die Lernfähigkeit zu fördern", sagt Stromeyer. "M-Shule" in Kenia richte sich mit Mathematik-Kursen und Alphabetisierungsprogrammen an Grundschüler. In Uganda sei "Brainshare" interessant, eine Online-Lernplattform, die Nachhilfe anbietet und gemeinsames Lernen von Schülern und mit Lehrern fördert. Und "Talking Bookz" in Nigeria ist der erste Online-Marktplatz für Hörbücher in Afrika."
EdTech-Szene bietet afrikanische Lösungen
Die Informations- und Telekommunikationsbranche in Subsahara-Afrika wächst rasant - und widmet sich immer wieder auch gezielt der Bildung. "Education Technologies" nennt sich das - kurz EdTech. "Es wird viel über die EdTech-Szene gesprochen, das ist ein Zeichen für den Unternehmergeist von jungen Menschen in Afrika, die Start-ups gründen, um afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme zu finden", sagt Stromeyer. "Diejenigen, die es erfolgreich machen, haben Potenzial, ihre Plattformen auch in anderen Ländern Afrikas und der Welt an den Markt zu bringen."
Die größte Hürde seien nach wie vor die mangelnde Infrastruktur für Internetzugänge und die unzureichende Stromversorgung. Allerdings gebe es hier Unterschiede von Land zu Land, Kenia sei zum Beispiel gut vernetzt - Tschad weniger, fügt Stromeyer an. "Eine weitere Hürde sind Investitionen oder Darlehen bei der Bank, die schwer erhältlich sind und mit hohen Zinsen von ca. 18 Prozent in Afrika berechnet werden." In manchen Ländern fehle die Bereitschaft der Regierung, Hilfe durch Subventionen zu leisten.
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Verhalten bei Lehrern ändern
Eine kreative Idee und eine Finanzspritze sind aber noch kein Garant für Erfolg. Marketing und Finanzmodell müssten stimmen, betont Stromeyer: Wie ist der Nutzen, wer der Zahler eines Modells? "Das alles sind Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, damit ein Start-up nachhaltig ist und lange besteht." Hilfreich sei auch, dass Unternehmen voneinander lernen würden. Dabei helfen laut Stromeyer Privatinitiativen oder Unis ebenso wie die Weltbank, Unicef, die Afrikanische Entwicklungsbank oder die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.
DW berichtete: The "Smartclass" online education platform
Doch wie lassen sich Lehrerverbände für die alternativen - und ergänzenden - Lernformen gewinnen? Diese Frage treibt auch Massamba Thiam um. "Die größte Anstrengung ist für uns, das Verhalten der Lehrer zu ändern. Die ältere Generation kennt sich nicht aus mit den digitalen Methoden. Aber wenn wir erklären, wie diese Handwerkszeuge das Leben einfacher machen, dann sind sie dabei."