Dürre-Katastrophe: Immense Aufgaben für die Politik
23. Februar 2016Äthiopien
Im ehemaligen Wirtschaftswunderland brauchen nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als zehn Millionen Menschen dringend Nahrungsmittelhilfe; bald könnten es doppelt so viele sein.
Das Land sei jedoch besser auf die Hungerkrise vorbereitet gewesen als etwa in den 80er Jahren, sagt Oliver Kirui, Experte von Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF). Die Regierung habe seitdem neue Programme aufgelegt, etwa zur Früherkennung von Dürren und zur ländlichen Entwicklung. Millionen unterversorgte Menschen in chronisch trockenen Gebieten erhalten seit 2005 auch in normalen Jahren Nahrungsmittelhilfe und Bargeld zum Kauf des Allernötigsten. "Auf dieses Netz der offiziellen und der humanitären Organisationen können wir jetzt zurückgreifen", sagt Claire Seaward von der Hilfsorganisation Oxfam. "Daher konnten wir gezielter und schneller helfen."
Außerdem wurden in den vergangenen Jahren auch in sehr abgelegenen Regionen Straßen gebaut. Dadurch ist es einfacher, Hilfsgüter in die betroffenen Gebiete zu transportieren und zu verteilen. Dennoch bleibt die Lage prekär. Bisher hat die Regierung knapp 590 Millionen US-Dollar für die Bekämpfung der Hungersnot zur Verfügung gestellt. Das dürfte in keinem Fall ausreichen. Der Ruf der UN nach insgesamt 1,4 Milliarden Dollar für das laufende Jahr ist ein Alarmzeichen.
Mosambik
In Mosambik herrschen seit Monaten unter zwei gegensätzliche Wetterextreme: Während rund eine halbe Million Menschen im Süden unter extremer Trockenheit leiden, wird der Norden immer wieder von schweren Regenfällen heimgesucht. Bislang sind 45 Menschen durch Überschwemmungen, Stürme oder Blitzschlag gestorben. In ganz Mosambik ist die Ernährung von schätzungsweise 77.000 Menschen akut gefährdet.
Alle Minister Mosambiks würden den Lohn eines Tages spenden, um den Opfern der Naturkatastrophen im Land zu helfen, kündigte Premierminister Carlos Agostinho do Rosário an. Bisher gelang es der Regierung, durch Nahrungsmittelhilfe Hungertote zu vermeiden. Das mosambikanische Katastropheninstitut INGC gilt als gut aufgestellt und die Präsenz von Nichtregierungsorganisationen im ganzen Land ist sehr hoch. Das Vereinigte Königreich hat 14 Millionen Euro zugesagt, um die Regierung im Kampf gegen die Dürre zu unterstützen.
Angola
Schon das vierte Jahr in Folge haben Provinzen im Süden Angolas mit Trockenheit zu kämpfen. Insgesamt sind etwa 750.000 Menschen von der Dürre betroffen, Kinder sind besonders gefährdet. Die Regierung hat in den vergangenen Monaten Reis, Mehl, Nudeln, Bohnen und Speiseöl in die Region geliefert und neue Brunnen bohren lassen.
Erschwert wird die Hilfe durch die Wirtschaftskrise aufgrund der rasant fallenden Ölpreise. Von den Milliarden-Einnahmen der Vergangenheit ist nur wenig übrig. Bis auf wenige Großprojekte wie eine Biotreibstoff-Fabrik ist kaum Geld in die Modernisierung der Landwirtschaft geflossen.
Während die Elite des Landes Reichtum anhäuft, herrscht auf dem Land weiter Armut. So mussten die Vereinten Nationen und die Europäischen Union der Regierung im Kampf gegen die Trockenheit mit insgesamt mehr als 12 Millionen Euro unter die Arme greifen.
Simbabwe
Das Land erlebt eine der schlimmsten Hungerkatastrophen seiner jüngsten Geschichte. Fast jeder Fünfte der rund 13 Millionen Simbabwer ist von Mangelernährung bedroht. Die Regierung unter Präsident Robert Mugabe muss hunderttausende Tonnen Getreide importieren. Sein Landwirtschaftsminister hat um rund 1,5 Milliarden Dollar internationale Hilfe gebeten.
In Simbabwe wurde keinerlei Vorsorge getroffen, stellte Kirui vom ZEF bei seinen Studien fest. "Es fehlen Fachleute und Notfallpläne." Die Koordinierung der Hilfe funktioniere sehr schlecht. Zum Beispiel sei die Dürrebekämpfung auf zwei Ministerien verteilt, deren Aufgaben und Verantwortlichkeiten nicht klar geregelt seien.
Die Regierung hat Anfang Februar den Notstand ausgerufen. Dennoch will Mugabe am kommenden Sonntag seinen 92. Geburtstag mit einer Eine-Million-Dollar-Party feiern - in Masvingo, der von der Dürre am stärksten betroffenen Provinz.
Malawi
In Malawi sind 2,8 Millionen Menschen akut vom Hunger bedroht. Die Ernte des vergangenen Jahres ist wegen eine großen Flut nur sehr schlecht ausgefallen. Laut dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF ist die Regierung mit dem Krisenmanagement überfordert.
Seaward von der Hilfsorganisation Oxfam, die schon seit Jahren ein wie in Äthiopien bestehende "Safetynet program" mit Saatgut und Barzahlungen an Bedürftige unterstützt, meint dagegen: "Die Regierung nimmt die Krise sehr ernst." Sie habe rechtzeitig vor der Dürre gewarnt. Selbst wenn die Behörden nicht die Mittel und die Logistik besäßen, die Hilfen eigenständig in die Regionen auszuliefern, hätten sie die Koordination sämtlicher Hilfsorganisationen übernommen. "Das ist wirklich eine gute Sache" sagt Seaward.
Südafrika
Nach Schätzungen der Weltbank hat die Dürre in Südafrika bisher rund 50.000 Menschen in die Armut getrieben. Das Land wird von der schlimmsten Dürre seit mehr als 100 Jahren erschüttert. Die Regierung von Jacob Zuma hat die anfänglich umgerechnet 20 Millionen Euro zur Dürrebekämpfung um weitere rund 60 Millionen Euro aufgestockt.
Die Maisernte wird um rund 25 Prozent geringer ausfallen als in normalen Jahren. "Das betrifft die gesamte Region, erklärt Oxfam-Expertin Seaward. Denn fast alle Nachbarländer importieren in normalen Jahren das wichtigste Grundnahrungsmittel aus Südafrika. Jetzt müssen sie mit Preisanstiegen und Engpässen beim größten Maisproduzenten der Region rechnen.
ZEF-Mann Kirui lobt das bereits 2003 geschaffene Nationale Dürre-Forum, das Strategien zur Dürrebekämpfung diskutiert und verabschiedet hat. Aber auch die Landwirte müssten ihren Teil beitragen und mehr dürre-resistente Maissorten pflanzen als bisher, so Kirui. "Wenn sie das nicht tun und es Missernten gibt - hat dann die Regierung versagt?"
Kritiker monieren dagegen, dass vor allem der Wassermangel hausgemacht sei. Ein Wasser-Ministerium mit ständig wechselndem Personal habe bestehende Szenarien zur Dürrebekämpfung nicht zur Kenntnis genommen. Laut der staatlichen Water Research Commission geht die Hälfte des Wassers für Städte und Gemeinden durch Lecks in maroden Rohrleitungen verloren. 6500 Gemeinden stünden vor ernsthaftem Wassermangel.
Mitarbeit: Johannes Beck