Putins afrikanische Ambitionen
23. Oktober 201940 Staats- und Regierungschefs und rund 10.000 Teilnehmer aus 54 Staaten: Der am Mittwoch eröffnete russisch-afrikanische Gipfel in Sotschi zeigt, dass Russland eine Renaissance in Afrika anstrebt. Rund 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion will Moskau sich dem Kontinent wieder politisch, ökonomisch und militärisch annähern.
Die Weichen für die Mega-Konferenz sind seit langem gestellt. Seit 2015 empfing Putin zwölf afrikanische Regierungschefs. "Afrika wird immer mehr zu einem Kontinent der Möglichkeiten", sagte Putin zum Auftakt des Gipfels.
Wie China scheint auch Russland Investitionen in Milliardenhöhe anzustreben. Es geht unter anderem um den Handel mit Maschinen für die Landwirtschaft, mit Nutzfahrzeugen, chemischen und pharmazeutischen Produkten, Flugzeugen und Weltraumtechnik. Auch mehrere Tourismus-Abkommen sollen abgeschlossen, der Bau von Industriezonen vereinbart werden.
Atomkraftwerke für Afrika
Große Chancen erhofft Putin sich für die russischen Öl- und Gaskonzerne und den Diamantenförderer Alrosa. Über den Internetkonzern Yandex will Russland zur digitalen Erschließung des Kontinents beitragen. Der Atomkonzern Rosatom schließlich soll Aufträge für den Bau von Kernkraftwerken an Land ziehen.
Moskau habe vor allem ein Anliegen, sagt Olga Kulkova, Forscherin am Institut für Afrikastudien der Russischen Akademie der Wissenschaften, im DW-Interview: "Russland will seine Nische und seine Richtung mit Partnerschaften in Afrika finden." Das Ziel ist ehrgeizig: Innerhalb der kommenden fünf Jahre soll sich das Handelsvolumen verdoppeln, und zwar von 20 Milliarden US-Dollar (2018) auf dann 40 Milliarden.
Mit Moskau gegen Kolonialherren
Allerdings gehe es nicht um rein wirtschaftliche Interessen, deutete Putin vor einigen Tagen an. "Wir sehen, wie eine Reihe westlicher Länder gegenüber souveränen afrikanischen Regierungen Druck, Einschüchterung und Erpressung ausübt", so der russische Präsident gegenüber russischen Medien.
In Putins Worten schwingt für einige Afrikaner auch die Erinnerung an die Vergangenheit mit, in der die damalige UdSSR die Befreiungsbewegungen auf dem Kontinent unterstützte. "Ohne den festen Standpunkt der Sowjetunion während des Kalten Krieges und der Blütezeit des antikolonialen Kampfes hätten viele unserer Länder niemals das Licht der Unabhängigkeit erblickt", sagt Obadiah Mailafia, ehemaliger stellvertretender Gouverneur der nigerianischen Zentralbank im DW-Interview.
Ein autoritäres Bündnis
Wie die Zusammenarbeit politisch aussehen könnte, deutet sich womöglich in der Leitung der Konferenz an: Neben Putin steht ihr der ägyptische Präsident Abdel-Fatah el-Sissi vor. Er steht an der Spitze einer Regierung, der Menschenrechtsorganisationen massive Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, unter anderem körperliche Gewalt gegen Gefängnisinsassen. "Folter und andere Misshandlungen blieben in den offiziellen Hafteinrichtungen an der Tagesordnung und wurden in den Haftzentren des nationalen Geheimdienstes systematisch praktiziert", schreibt "Amnesty International".
Auch Russlands unverbrüchliches Engagement an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, verantwortlich für den Großteil der rund 500 000 während des Krieges gestorbenen Bürger des Landes, lässt darauf schließen, dass sich Russland für potentielle Menschenrechtsverletzungen seiner afrikanischen Partner nicht sonderlich interessieren wird.
So dürfte auch der Waffenhandel – auch er ist eines der Themen der Konferenz - kaum Einschränkungen unterliegen. Laut "Stockholm International Peace Research Institute" (SIPRI) exportiert Russland derzeit nur 17 Prozent seiner Waffen nach Afrika. Die meisten werden nach Algerien verkauft, jenen ehemals sozialistischen Staat, zu dem die damalige UDSSR während des Kalten Krieges besonders enge Beziehungen hatte.
Russische Bomber für Südafrika
Nach Subsahara-Afrika exportiert Russland bislang nur drei Prozent der an den Kontinent gehenden Gesamtlieferungen. Es gibt also beträchtliches Entwicklungspotential. Dies umso mehr, als Russland seit dem Jahr 2014 mit 19 afrikanischen Staaten militärische Kooperationsverträge geschlossen hat.
In den Jahren 2017/18 schloss Russland zudem mit sechs afrikanischen Staaten - Angola, Nigeria, Sudan, Mali, Burkina Faso und Äquatorial Guinea - neue Verträge über Waffenlieferungen. Sie umfassen Kampfflugzeug, Kampf- und Transporthubschrauber sowie Panzerabwehrraketen.
So ist es vielleicht kein Zufall, dass just an dem Tag, an dem die Konferenz in Sotschi begann, in Südafrika zwei mit Atombomben beladbare russische Flugzeuge landeten. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die beiden auf dem Waterkloof-Luftwaffenstützpunkt gelandeten Tupolev Tu-160-Bomber stellten einen Beitrag zur Förderung der militärischen Beziehungen zu dem Land an der Südspitze Afrikas dar.
Strategische Positionierung
Wie die künftige militärische Zusammenarbeit Moskaus mit afrikanischen Staaten aussehen könnte, ist in der Zentralafrikanischen Republik zu beobachten: Dort sind nach Einschätzung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" 200 russische Militärberater engagiert. Grund für diese Präsenz seien die Rohstoffvorräte. Das Land verfüge über umfangreiche Uranvorkommen. Generell finden sich auf dem Kontinent zahlreiche Mineralien - etwa Mangan, Bauxit und Chrom -, an denen Russland großes Interesse hat.
Russische Privatunternehmen spielen beim Thema Rohstoffe eine Schlüsselrolle, so der Russland-Experte Paul Stronski vom US-Think Tank "Carnegie-Endowment for International Peace" gegenüber der BBC. Diese Unternehmen seien Vorreiter, deren Arbeit der russische Staat dann nutze, "um seine Sicherheitspräsenz und seinen politischen Einfluss in den einzelnen Länder nahezu kostenlos und mit geringem Risiko auszubauen."
Russland setzt an zum Sprung in Richtung Afrika. In Moskau sieht man viele Gründe, sich für den Kontinent zu interessieren.