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Karsai kritisiert Luftangriff

25. Dezember 2008

Afghanistans Präsident Karsai hat den Tod von 76 Zivilisten bei einem Luftangriff der US-geführten Koalition verurteilt. Die US-Armee kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an.

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Kampfjet der US-Luftwaffe in Afghanistan, Quelle: AP
Kampfjet der US-Luftwaffe in AfghanistanBild: AP

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat einen US-Militäreinsatz kritisiert, bei dem nach Darstellung des Innenministeriums 76 Zivilpersonen, darunter vor allem Frauen und Kinder, ums Leben kamen. "Alle unsere Anstrengungen, zivile Opfer zu vermeiden, haben keine positiven Ergebnisse gebracht und unsere unschuldigen Landsleute werden immer noch bei Anti-Terrorismus- Operationen getötet", erklärte Karsai am Samstag (23.08.2008) in Kabul.

Anfang der Woche wurden zehn französische Soldaten bei Kämpfen getötet, Quelle: AP
Anfang der Woche wurden zehn französische Soldaten bei Kämpfen getötetBild: AP

Die Operation der von den USA geführten Koalitionstruppen sei nicht mit den örtlichen Sicherheitskräften abgestimmt worden, erklärte Karsai. Er kündigte an, die Regierung werde in Kürze einen Maßnahmenkatalog ankündigen, um künftig den Tod von Zivilisten möglichst zu vermeiden. Neben 19 Frauen und 50 Kindern seien auch sieben Männer getötet worden, hatte das Innenministerium am Freitag in Kabul mitgeteilt. Alle Opfer des Angriffs seien Zivilisten, die getöteten Kinder alle unter 15 Jahre alt, hieß es in einer Mitteilung. Zudem gebe es mehrere Verletzte, einige befänden sich in einem kritischen Zustand.

Widersprüchliche Angaben

Die US-geführten Koalitionstruppen bestätigten einen Einsatz ihrer Flugzeuge im Bezirk Schindand in der Provinz Herat. Dabei seien jedoch keine Zivilisten getötet worden, sondern Taliban. Eine US-Militärsprecherin erklärte, bei dem Bombenangriff auf eine Versammlung von Taliban-Anführern seien mindestens 30 Kämpfer getötet worden. Dies habe eine anschließende Lagebeurteilung ergeben, sagte Oberstleutnant Rumi Nielson-Green am Freitag. Unter den Toten soll auch der Taliban-Kommandeur Mullah Siddik sein.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai am Donnerstag mit dem britischen Premier Gordon Brown in Kabul, Quelle: AP
Afghanistans Präsident Hamid Karsai am Donnerstag mit dem britischen Premier Gordon Brown in KabulBild: AP

Politiker der Provinz Herat hätten am Samstagmorgen bei einem Besuch des abgelegenen Dorfes im Distrikt Shindand etwa 90 Leichen gezählt, berichtete dagegen Polizeisprecher Abdul Rauf Ahmadi der Deutschen Presse-Agentur dpa. Auch das afghanische Verteidigungsministerium machte andere Angaben als das Innenressort. Ihm zufolge wurden fünf Zivilisten bei den Kämpfen getötet, außerdem seien fünf Taliban festgenommen worden. Auch das afghanische Verteidigungsministerium sprach von 30 Toten. Darunter seien aber fünf Zivilpersonen gewesen, sagte General Mohammed Saher Asimi, der Sprecher des Ministeriums.

Untersuchungsteam entsandt

Ein US-Militärsprecher erklärte, die widersprüchlichen Angaben zu dem Angriff in der Provinz Herat sollten so schnell wie möglich geklärt werden. Die Vorwürfe würden "sehr ernst genommen". Der Sprecher des Weißen Hauses, Gordon Johndroe, warnte vor voreiligen Schlüssen. "Ich würde sagen, die USA und die NATO haben große Anstrengungen unternommen, um Zivilisten zu schützen. Und ich würde immer auch vorsichtig sein bei ersten Berichten aus Afghanistan", sagte er in Crawford im US-Bundesstaat Texas.

ISAF-Soldaten in der Provinz Helmand (Archivbild), Quelle: AP
ISAF-Soldaten in der Provinz Helmand (Archivbild)Bild: picture-alliance/ dpa

Das afghanische Innenministerium bedauerte die hohe Zahl der zivilen Opfer bei diesem "nicht beabsichtigten Unfall". Eine zehnköpfige Delegation sei zur Untersuchung nach Schindand geschickt worden. Nach Angaben des Polizeisprechers Ahmadi griffen mehrere hundert aufgebrachte Dorfbewohner afghanische Soldaten an, die den Angehörigen der Opfer Hilfe bringen sollten. Als die Angegriffenen zurückgeschossen hätten, seien drei Demonstranten verletzt worden. Daraufhin seien die Soldaten wieder abgerückt.

Zivile Opfer bei Operationen ausländischer Militärs in Afghanistan sorgen für zunehmenden Unmut in der Bevölkerung. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai und die Vereinten Nationen haben die internationalen Truppen bereits mehrfach zu größerer Vorsicht aufgerufen. Mitte August hatten die Koalitionstruppen nach eigenen Angaben acht Zivilisten bei einem Einsatz in der zentralafghanischen Provinz Urusgan getötet. Im Juli wurden bei zwei Luftangriffen der internationalen Truppen insgesamt 64 Zivilisten getötet, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, die Gäste einer Hochzeitsgesellschaft waren.

Weitere Zusammenstöße und Anschläge

Bei einem weiteren Zusammenstoß wurden im Süden des Landes nach Angaben der afghanischen Behörden elf Taliban getötet. Drei italienische Soldaten wurden am Freitag bei einem Autobombenanschlag verwundet. Außerdem wurde ein Soldat der alliierten Streitkräfte bei einem weiteren Autobombenanschlag getötet, wie die US-Truppen mitteilten. Nähere Einzelheiten zu dem Anschlag und die Nationalität des Toten wurden nicht genannt.

Bei einem anderen Bombenanschlag starben in der südlichen Unruheprovinz Kandahar drei kanadische Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF. Wie afghanische Medien unter Berufung auf das kanadische Militär am Freitag berichteten, wurde ein weiterer Soldat bei der Explosion des am Straßenrand versteckten Sprengsatzes verletzt. Die NATO-geführte ISAF in Kabul bestätigte den Vorfall, der sich bereits am Mittwoch ereignete. Erst am Mittwoch waren in der Provinz Ghasni drei polnische ISAF-Soldaten bei einer Minenexplosion getötet worden. Zu Wochenbeginn starben zehn Franzosen bei Kämpfen außerhalb von Kabul. Seit Jahresbeginn sind in Afghanistan mehr als 180 ausländische Soldaten ums Leben gekommen. (stu)