Zivilisten getötet
11. Juli 2008Wieder sind bei Luftangriffen US-geführter Truppen in Afghanistan zahlreiche Zivilisten gestorben - die Empörung unter der Bevölkerung ist groß. Wie Untersuchungskommissionen der afghanischen Regierung am Freitag (11.07.2008) mitteilten, kamen bei zwei Luftangriffen im Grenzgebiet zu Pakistan am vergangenen Freitag und Sonntag mindestens 64 Zivilisten ums Leben, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Präsident Hamid Karsai hatte die Untersuchung der Luftangriffe angeordnet, nachdem örtliche Behörden sich über zivile Opfer beklagt hatten. Die US-geführten Streitkräfte wiesen die Vorwürfe bislang zurück und kündigten eigene Untersuchungen an.
Opfer hatten "keine Verbindung zu Taliban"
Bei dem Luftangriff am vergangenen Sonntag im abgelegenen Bezirk Deh Bala in der Provinz Nangarhar starben 47 Gäste einer Hochzeitsgesellschaft, wie Kommissionsleiter Burhanullah Schinwari mitteilte. Neun weitere Menschen seien verletzt worden. "Die Opfer waren alle Zivilisten und hatten keinerlei Verbindung zu den Taliban oder El Kaida", sagte Schinwari. "Die letzte Leiche wurde gestern in den Trümmern gefunden. Auch die Braut sei unter den Todesopfern.
Nach Angaben eines weiteren Kommissionsmitglieds, Mohammed Asif Schinwari, waren lediglich drei Männer unter den Todesopfern des Angriffs vom 6. Juli. Der Rest seien Frauen und Kinder gewesen. Die Hochzeitsgäste hätten die Braut in der Bergregion nahe der pakistanischen Grenze begleitet, als der Angriff erfolgte, sagte Schinwari weiter. Zehn Menschen werden den Angaben zufolge noch vermisst. Der Untersuchungsbericht sei Karsai noch nicht übergeben worden.
Einer der schwersten Angriffe auf Zivilisten
Sollten die Erkenntnisse der Kommission zutreffend sein, wäre es einer der schwersten Angriffe mit zivilen Opfern seit dem Sturz der Taliban Ende 2001. Die US-geführten Koalitionstruppen hatten nach dem Angriff am vergangenen Sonntag mitgeteilt, Ziel des Bombardements in Nangarhar seien radikalislamische Aufständische gewesen.
Bei der Untersuchung eines US-Luftangriffs vom Freitag vergangener Woche kam eine Kommission zu dem Ergebnis, dass 17 Zivilisten in der Provinz Nuristan getötet worden seien. Kommissionsleiter General Mohammad Amin sagte, neun weitere Zivilisten seien verletzt worden. Amin warnte, dass der Rückhalt der internationalen Truppen und Regierungseinheiten, die in der Region gegen Aufständische kämpfen, durch die zivilen Opfer weiter schwinden werde.
Kommissionsleiter Schinwari sagte, er werde von Karsai verlangen, mit den ausländischen Truppen zu reden, um solche Angriffe auf Zivilisten zu beenden. Der Präsident hat die internationalen Truppen bereits mehrfach aufgefordert, vorsichtiger vorzugehen. Die zivilen Opfer bei Militäroperationen sorgen für wachsenden Unmut in der Bevölkerung.
USA mit eigenen Untersuchungen
Die US-geführte Koalition verwies auf die eigenen Untersuchungen, deren Ergebnisse noch ausstünden. "Jeder Verlust zivilen Lebens ist tragisch", sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP. "Wir nehmen Zivilisten niemals ins Visier und tun unser Bestes, zivile Verluste zu vermeiden."
Die derzeit rund 70.000 ausländischen Soldaten in Afghanistan sind in der Vergangenheit bereits häufiger wegen ziviler Opfer bei den Kämpfen gegen Aufständische in die Kritik geraten. Seit Anfang 2008 kamen bereits rund 700 Zivilisten im Land ums Leben. 255 von ihnen starben durch die internationalen Streitkräfte, wie der UN-Koordinator für Hilfseinsätze, John Holmes, sagte. (rri)