Afghanistan: Aus NATO-Camp wird Zentrum für Drogensüchtige
Camp Phoenix, Kabul: Früher trainierten hier US-Soldaten. Jetzt werden in dem Ex-NATO-Camp obdachlose Drogensüchtige versorgt, bekommen medizinische Behandlung, ein warmes Bett, geregelte Mahlzeiten. Aber reicht das aus?
Ein Dach über dem Kopf
Heroinsüchtige in Kabul: Ein Bild, das mittlerweile in der afghanischen Hauptstadt zum Alltag gehört. Denn die Betroffenen hausen – für jeden sichtbar – am Ufer des Kabul-Flusses unter Brücken. Viele sind obdachlos. Um sie von der Straße zu holen und beim Drogenentzug zu unterstützen, hat die afghanische Regierung jetzt ein Suchthilfezentrum in einer ehemaligen NATO- Militärbasis eröffnet.
Entzug und Neuanfang in Camp Phoenix?
In der Einrichtung sei Platz für ungefähr 1000 obdachlose Drogensüchtige, so der afghanische Gesundheitsminister Ferozuddin Feroz gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Hier bekommen die Menschen neben der medizinischen Behandlung auch geregelte Mahlzeiten, eine ordentliche Rasur und Winterkleidung."
Entzug – und was dann?
Insgesamt 45 Tage dauert das Entzugsprogramm. "Danach entlassen wir die Patienten zurück in die Gesellschaft", sagt Minister Feroz. Allerdings: Viele werden danach rückfällig. Denn die körperliche Entgiftung allein bietet ihnen keine Perspektive. Sie landen wieder auf der Straße – und hängen schnell auch wieder an der Nadel.
Weniger Drogenanbau im Jahr 2015
Um die grassierenden Drogenprobleme in den Griff zu bekommen, hat Afghanistan ein eigenes Ministerium, das "Ministry of Counter Narcotics". Im Dezember wurde mit Unterstützung des UN- Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) der offizielle Drogenbericht 2015 veröffentlicht. Erstmals seit 2009 ist danach die Opiumproduktion zurückgegangen – um fast die Hälfte auf 3300 Tonnen.
Mehr als jeder zehnte Afghane nimmt Drogen
Der Drogenkonsum allerdings ist weiter hoch. Schätzungen zufolge konsumieren zwischen 1,9 und 2,4 Millionen Afghanen Drogen. Das sind über 12 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Darunter auch Frauen: Viele nehmen Opium als Schmerzmittel, geben es auch Kindern oder sogar Babys als Medizin. Heroin spritzen sich vor allem Männer. Dieser Süchtige versucht, vor einer Polizei-Razzia zu fliehen.
Sind es sogar noch mehr?
Ahmad Zahir Sultani, der Direktor der neuen Einrichtung, geht davon aus, dass es sogar noch mehr Drogensüchtige gibt in Afghanistan. Er spricht von 3,5 Millionen Betroffenen. Und: Darunter seien auch eine Million Frauen und Kinder.
Entzugsmaßnahme unter Zwang
Die meisten Süchtigen kommen nicht freiwillig ins Camp Phoenix: Teils mit Gewalt werden die Junkies von den Ordnungskräften in Kabul von den Straßen geholt und zum Entzug in die ehemalige NATO-Militärbasis gebracht. Seit 2003 gibt es das Camp Phoenix bereits. Ende 2014, nach dem Abzug der US-Truppen, wurde es der afghanischen Regierung übergeben.
Ein zu großes Problem für Afghanistan?
Insgesamt gibt es nach Angaben des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung 123 Drogenzentren im ganzen Land. Das reicht gerade einmal aus, um gut zehn Prozent der Heroin- und Opiumsüchtigen zu behandeln. Die Einrichtung im ehemaligen Camp Phoenix ist die größte. Ein Anfang, mehr nicht. Denn eine nachhaltige Strategie zur Drogenbekämpfung gibt es bislang nicht in Afghanistan.