Berliner AfD wirbt um Russlanddeutsche und Polen
16. September 2016Berlin, kurz vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, Stadtteil Marzahn-Hellersdorfs, im äußersten Osten der Hauptstadt: Am Wahlstand der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD) gibt es das Programm der Partei auch auf Russisch. 30.000 Russlanddeutsche leben hier. Sie haben in der Vergangenheit in der großen Mehrheit CDU gewählt.
Jetzt glaubt die AfD, nicht wenige dieser Wähler auf ihre Seite ziehen zu können: "Die Russlanddeutschen sind doch aus der Sowjetunion weggegangen, weil sie wieder eine Heimat haben wollten. Diese Heimat ist jetzt Deutschland, und Deutschland wird gerade überfremdet mit Millionen von Afrikanern und Asiaten, aus allen Herren Ländern", meint Bernd Pachal von der AfD.
Hauptthema: Nein zu Merkel Flüchtlingspolitik
Die Ablehnung der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel war schon das AfD-Hauptthema der Landtagswahlen in diesem Jahr in Baden-Württemberg, in Sachsen-Anhalt, in Rheinland-Pfalz und in Mecklenburg-Vorpommern. In den beiden ostdeutschen Ländern kamen die Rechtspopulisten aus dem Stand auf über 20 Prozent der Stimmen.
Hier, in Berlin, sollen die Russlanddeutschen mithelfen, die Erfolgserie fortzusetzen. Schon lange fällt die AfD mit Russland-freundlichen Positionen auf, verlangt etwa eine Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen das Land wegen der Annektion der Krim.
Bei Alexander Gauland, dem Vize-Vorsitzeden der AfD, klingt das im Gespräch mit der DW so: "Die Deutsch-Russen begrüßen, glaube ich, dass wir ein sehr entspanntes Verhältnis zu Russland und Putin haben und in das allgemeine Putin-Bashing der Leitmedien und der deutschen Eliten nicht einstimmen. Von daher ist das Verhältnis zu den Deutsch-Russen sehr gut."
CDU wirbt um Verständnis für Migranten
Ganz anders sieht das Medina Schubert, die selbst Russlanddeutsche ist und in Hellersdorf-Marzahn für die CDU antritt: "Wir versuchen den Russlanddeutschen zu sagen, dass sie ebenfalls zu Beginn als Fremdlinge angesehen worden sind und dass es eine Zeit gedauert hat, bis sich die Einheimischen an die neuen Ankömmlinge gewöhnt haben." Auf Russisch verteilt die CDU ihr Programm nicht, sie will, dass sich die Spätaussiedler integrieren und Deutsch lernen.
Polen dürfen Bezirksparlamente mitwählen
Ortswechsel. Am Südstern in Berlin-Kreuzberg liegt die St. Johannes-Basilika, die polnisch-muttersprachliche katholische Gemeinde Berlin hat hier ihren Sitz. Auch hier verteilt die AfD ihr Programm, diesmal auf Polnisch. Die Passage mit der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland fehlt in dieser Übersetzung. Die Polen in Berlin, insgesamt sind es rund 110.000, werden mit anderen Argumenten umworben.
Wichtig sind die Polen für die AfD, weil neben dem Landtag von Berlin, dem Abgeordnetenhaus, am Sonntag auch die zwölf Bezirksparlamente gewählt werden. Und da dürfen auch EU-Bürger ihre Stimme abgeben, auch wenn sie keinen deutschen Pass haben, was bei vielen Polen der Fall ist.
Da trifft es sich gut, dass der AfD-Spitzenkandidat für die Berliner Wahl, Georg Pazderski, einen polnischen Vater hat, auch wenn er selbst kein Polnisch spricht.
AfD stärkt Polens Rechtsregierung den Rücken
AfD-Vize Gauland stärkt der nationalkonservativen Regierung in Warschau den Rücken, die mit der EU im Streit liegt, weil sie die Rechte des Verfassungsgerichts eingeschränkt hat. Die EU hat Warschau erneut ermahnt, die Unabhängigkeit der Justiz zu achten. Gauland: "Davon halte ich nichts. Weil es das Recht der Polen ist, wenn sie nun so gewählt haben, ihre Politik auch umzusetzen. Und es geht Brüssel überhaupt nichts an, wie zum Beispiel die Polen ihr Verfassungsgericht zusammensetzen."
AfD vor zehntem Wahlerfolg in den Ländern
Die Nationalstaaten gegen die EU, christliche Länder gegen Muslime, Putin gegen den arroganten Westen: Bei Russlanddeutschen und Polen in Berlin kann die AfD durchaus Erfolg haben. Auch wenn es viele Polen in Berlin gibt, die den nationalistischen Kurs der polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) offen ablehnen.
Laut Wahlumfragen kann die AfD in Berlin mit rund 14 Prozent der Stimmen rechnen. Dann wäre sie wenige Jahre nach ihrer Gründung in zehn deutschen Landesparlamenten vertreten.