AfD vertagt Wahl der Spitzenkandidaten
10. April 2021Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) will jetzt noch keine Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl bestimmen. Auf einem Bundesparteitag in Dresden votierte eine Mehrheit der Delegierten dafür, mit einem Spitzenduo in den Wahlkampf zu ziehen. Wer dieses Zweierteam bildet, soll aber durch die Mitglieder zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Damit hat sich der als gemäßigt geltende Co-Parteichef Jörg Meuthen durchgesetzt. "Er spaltet die Partei und verzögert die Wahl der Spitzenkandidaten, was uns schadet", befand dagegen der Rechtsaußen-Politiker Björn Höcke.
Doch viele an der Basis finden die Entscheidung gut. Es sei richtig, dass alle Mitglieder mitreden dürften, sagte der Delegierte Achim Pastert aus Norddeutschland der DW. "Schade nur, dass Meuthen selbst nicht kandidieren will, sondern weiterhin als Europa-Abgeordneter in Straßburg bleibt." Sieben Landesverbände, darunter alle fünf Ostverbände, hatten ursprünglich eine Klärung der Kandidatenfrage direkt auf dem Parteitag angestrebt.
"Lockdown-Wahnsinn"
Inhaltlich will sich die AfD als Anti-Verbots-Partei präsentieren. Sie wolle zeigen, dass es "diese Verbotsorgien, dieses Einsperren, diesen Lockdown-Wahnsinn" nicht brauche, "wenn man den Menschen vertraut", sagte Meuthen zur Eröffnung der zweitägigen Veranstaltung mit Blick auf die Pandemie-Maßnahmen von Bund und Ländern.
Die rund 570 Delegierten beschlossen eine "Corona-Resolution". Darin fordert die Partei, "jedweden, auch indirekten, Zwang zur Durchführung von Tests, Impfungen, unter anderem durch Einführung sogenannter Schnelltest-Apps und des grünen Impfpasses, sowie Benachteiligungen für Maskenbefreite zu unterlassen". Die AfD war im Vorfeld dafür kritisiert worden, trotz steigender Infektionszahlen einen Präsenzparteitag zu veranstalten.
Meuthen attackierte in seiner Rede die politischen Gegner scharf. Das Land werde seit 16 Jahren von einer Kanzlerin und Parteien regiert, die die "Normalität" in Deutschland Schritt für Schritt zerstört hätten, "begleitet von sozialistischen Oppositionsparteien wie den sogenannten Grünen und Linken, denen diese Zerstörung noch nicht weit und nicht schnell genug geht". Die AfD wirbt mit dem Slogan "Deutschland. Aber normal" für sich.
Der Co-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alexander Gauland, sagte vor der Presse: "Grünes Programm ist die Zerstörung der Industrie, auch der Autoindustrie. Das wollen wir natürlich nicht." Deutschland könne "bei der Klimaveränderung allein keine Wirkung erzielen und dafür kann man auch nicht die Industrie kaputt machen". Die grüne Politik sei daher "völlig verfehlt".
Innerparteilich ist die AfD tief gespalten. Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla rief dazu auf, die "Kleinkriege der letzten Monate" hinter sich zu lassen und geeint in den Wahlkampf zu gehen. Ein Antrag, seinen Co-Parteichef Meuthen vorzeitig abzusetzen, schaffte es zwar nicht auf die Tagesordnung. An diesem Sonntag könnte jedoch über den Vorschlag abgestimmt werden, die Wiederwahl von Bundesvorstandsmitgliedern in Zukunft nur noch zweimal zu erlauben. In diesem Fall dürfte Meuthen bei der für Ende November geplanten Neuwahl der Parteispitze nicht mehr antreten.
Björn Höcke bescheinigte dem Vorsitzenden vor Journalisten schon einmal, dass er "nicht das politisch-historisch-philosophische Tiefenbewusstsein" besitze, "um diese Partei in ihrer Lage zu führen". Der thüringische Landes- und Fraktionschef wird selbst einer Strömung innerhalb der AfD zugerechnet, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem bewertet wird. Der von Höcke 2015 gegründete "Flügel" wurde mittlerweile formal aufgelöst.
Ja zum EU-Ausstieg
Weitgehend einig waren sich die Delegierten hingegen in ihrer Ablehnung der Europäischen Union. Mit deutlicher Mehrheit wurde ein Antrag angenommen, der einen Austritt Deutschlands aus der EU verlangt und eine entsprechende Änderung im Wahlprogramm für die Bundestagswahl vorsieht. In einer hitzigen Debatte hatte sich unter anderem Meuthen dagegen ausgesprochen. Er forderte stattdessen, innerhalb der EU mit anderen Partnern wie der ungarischenRegierungspartei Fidesz zusammenzuarbeiten. Die AfD erreiche nichts, wenn sie einen Austrittswillen erkläre. Es sei "weitaus klüger", mit anderen Parteien zu kooperieren.
jj/qu (dpa, afp, DW)