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PolitikEuropa

AfD und Co.: Europaskeptiker im EU-Parlament

9. August 2023

Das neue Programm der rechten AfD für die Europawahl enthält europaskeptische Töne. Auch wenn es paradox wirken mag: Mit solchen Positionen ist die rechtspopulistische Partei nicht allein im EU-Parlament.

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Fortsetzung AfD Europawahlversammlung
Ein Delegierter hebt seine Stimmkarte bei der Europawahlversammlung der AfD in MagdeburgBild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

Vergangenes Wochenende hat die rechte und in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) ihre Europawahlversammlung in Magdeburg abgeschlossen. Das Ergebnis ist eine Liste mit 35 möglichen Kandidaten für das EU-Parlament und ein Programm für die Europawahlen im kommenden Jahr. Als Spitzenkandidaten stellte die Partei, die dem deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall gilt, Maximilian Krah auf. Krah sitzt bereits seit 2019 im EU-Parlament und ist auch innerhalb seiner eigenen Fraktion im EU-Parlament nicht unumstritten.

Bei ihrem Parteitag hat die AfD nun ihren EU-Kurs geändert: Während früher im Raum stand, die EU gänzlich abschaffen zu wollen, fordert sie nun eine Neugründung als "Bund europäischer Nationen." In dieser Vision soll das EU-Parlament abgeschafft werden und seine Kompetenzen übergangsweise an die Nationalstaaten zurückgehen.

AFD Parteitag in Magdeburg I Maximilian Krah
Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah bei seiner Vorstellung als SpitzenkandidatBild: dts Nachrichtenagentur/IMAGO

Zudem schreibt die AfD laut Agenturmeldungen in ihrem Programm fest, Europa solle sich in Fragen der Migration zu einer "Festung" entwickeln. Ein weiterer Punkt, für den sich die AfD einsetzt, ist die Abschaffung des Euro. Das beschlossene EU-Wahlprogramm ist, soweit ersichtlich, bislang noch nicht öffentlich einsehbar. 

Welche euroskeptischen Parteien gibt es im EU-Parlament?

Die AfD ist mit ihrem europakritischen Kurs nicht allein im EU-Parlament. Gemeinsam mit acht weiteren Parteien formiert sie sich in der Fraktion Identität und Demokratie (ID). Der größte Vertreter in der ID-Fraktion ist die rechtspopulistische italienische Lega-Partei, der Matteo Salvini vorsitzt und die der derzeitigen italienischen Regierung angehört. Auch der französische rechtsnationale Rassemblement National (früher bekannt als Front National) und die rechte FPÖ - zuletzt von 2017 bis 2019 an der österreichischen Regierung beteiligt - sind Teil der Fraktion, die 62 Mitglieder hat.

Ihr sitzt der Italiener Marco Zanni vor. In seinem Grußwort auf der Webseite schreibt er, die Fraktion wahre die Souveränität und Identität der Europäischen Nationen und Völker. Außerdem setze sie sich aktiv gegen den derzeitigen Trend eines bürokratisch geführten europäischen Superstaates ein.

Frankreich, Straßburg | 70-jähriges Bestehen des Europäischen Parlaments
Sitzungssaal des EU-Parlaments in StraßburgBild: Philipp von Ditfurth/dpa

Weitere EU-skeptische Parteien seien fraktionslos oder in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR-Fraktion) vertreten, sagt der Politologe Bartek Pytlas, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München zu rechtsradikalen Parteien in Europa forscht. In der EKR-Fraktion sitzen insgesamt 66 Abgeordnete aus 16 Ländern. Darunter sind Vertreter der ultrarechten Brüder Italiens, welche die italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni stellen, sowie der polnischen nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die Fraktion bezeichnet sich in ihrem Internetauftritt als treibende Kraft des "Euro-Realismus" und will eine "mutige alternative Vision einer reformierten EU als eine Gemeinschaft von Nationen, die in Gebieten zusammenarbeiten, in denen sie ein gemeinsames Interesse haben" bieten.

Paradoxon: EU-skeptische Parteien im EU-Parlament?

Auf den ersten Blick mag es paradox scheinen, dass dezidiert EU-kritische Parteien im EU-Parlament sitzen. Das liege daran, weil diese Parteien Europa von innen bekämpfen möchten, erläutert Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaften an der Uni Trier. Aus Sicht dieser Parteien habe die EU zwar keine Zukunft, dennoch hielten sie eine andere Form der EU für denkbar.

Der Münchner Politikwissenschaftler Pytlas zeigt im DW-Gespräch auch auf, wie sich kleinere Parteien auf diesem Wege nicht nur in finanzieller Hinsicht etablieren und zeigen können, dass sie mit anderen Parteien zusammenarbeiten.

Politikwissenschaftler Uwe Jun
Der Politikwissenschaftler Uwe JunBild: Birgit Reichert/dpa/picture alliance

Gleichzeitig sei die EU-Skepsis in gewisser Weise ein "identitätsbildendes Moment" für die rechtspopulistischen Parteien, sagt Jun. Wenn auch der Grad der EU-Skepsis unter den Parteien variiere, vereine die Skepsis - samt dem Wunsch, die EU zu schwächen - diese Parteien.

Was fordern die Parteien?

Die konkreten Forderungen der einzelnen Parteien seien eher schwammig formuliert, aber unterm Strich sei das Gemeinsame, die EU in ihrer jetzigen Form entweder schwächen oder auflösen zu wollen, konstatiert auch Politologe Pytlas. Er meint, rechtspopulistische Parteien fordern aus strategischen Gründen nicht mehr die Auflösung der EU, sondern ein "wahres" oder "echtes" Europa, womit eine nationalistische Prägung gemeint sei.

Schlagwörter, die in diesem Zusammenhang auch regelmäßig fallen, sind die eines "Europas der Vaterländer" oder eines "Europas der Nationen". Letztlich stecke dahinter die Idee, so Parteienforscher Jun, viele der Kompetenzen, die derzeit die EU habe, wieder zurück in die Hände der Nationalstaaten zu legen. Als Beispiele nennt er die Öffnung der zwischenstaatlichen Grenzen durch das Schengen-Abkommen, den Euro als gemeinsame Währung oder einzelne Politikfelder wie etwa die Landwirtschaft.

Ganz weit rechts – Ansichten der AfD zur Europapolitik

Sind rechtspopulistische Kräfte eine Gefahr für die EU?

Wenn man an die jetzige Form der Europäischen Union denke, würden diese Forderungen fraglos eine Gefahr für sie darstellen, sagt Parteienforscher Jun. Die EU sei derzeit auf einen engen Interaktionsprozess zwischen den Ländern angelegt. Der Politikwissenschaftler räumt aber auch ein, dass die rechtspopulistischen Kräfte deutlich stärker sein müssten als derzeit, um im Europäischen Parlament und möglicherweise im Europäischen Rat, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind, mehr Druck ausüben zu können.

Auch Politikwissenschaftler Pytlas sieht in den Forderungen nach einer Neugründung schlussendlich nichts anderes als die Auflösung der EU in ihrer jetzigen Form. In welcher Stärke rechtspopulistische und europakritische Parteien in das EU-Parlament einziehen, werden im kommenden Jahr die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Eine Rolle wird aber auch spielen, wie andere Parteien sich gegenüber rechtspopulistischen Parteien positionieren.

Nach jahrelangem Streit hat die rechte ungarische Fidesz-Partei, welcher der Premierminister Viktor Orbán vorsitzt, die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) nach einer Suspendierung verlassen.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel