AfD-Politiker als Richter: Staatsfeind in Robe?
11. Februar 2022Ohne Ansehen der Person soll ein Richter urteilen - das muss er mit seinem Amtseid schwören. Auch Jens Maier hat diesen Schwur geleistet, als er 1997 in Sachsen Richter wurde. 25 Jahre später will Maier zurück in den Staatsdienst - vier Jahre hatte er pausiert, weil er für die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) in den Deutschen Bundestag gewählt wurde.
Als Abgeordneter nahm Jens Maier wenig Rücksicht auf das Ansehen anderer Menschen. Er wurde in der AfD zu einem rechten Hardliner. Muslime diffamierte er pauschal als "Gesindel" und "Schleiereulen", einen jungen Mann beschimpfte er mit dem N-Wort und musste dafür Schmerzensgeld zahlen. Mittlerweile führt ihn sogar der sächsische Verfassungsschutz als Rechtsextremisten.
Rechtsextreme Lesetipps
Maier hat sich nie gemäßigt, trotz aller Proteste, die es bereits in der Vergangenheit gab. Im Gegenteil. Ein YouTube-Video aus dem Jahr 2019 zeigt ihn auf einer Veranstaltung des vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Compact-Magazins". Mit dem Veranstalter ist Maier per "Du". Er bedankt sich für die Anwesenheit eines rechtsextremen Vereins. Und in großer Freimütigkeit plaudert er über seine Richterzeit: Referendare habe er immer vor der "Mainstreamjournaille" gewarnt: "Selber denken macht klug." Dann hält er das rechtsextreme "Compact-Magazin" als alternative Leseempfehlung hoch: "Da steht alles drin, was man wissen muss."
Gegen die Wiederbeschäftigung von Jens Maier als Richter gibt es in Deutschland massiven Protest: Richterverbände, der Deutsche Anwaltsverein, Verfassungsrechtler, Opferverbände der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, der Zentralrat der Juden und zahlreiche Politiker fordern das sächsische Justizministerium auf, seine Rückkehr zu verhindern: "Es ist insbesondere zu prüfen, ob das unerträgliche Verhalten Maiers während seiner Abgeordnetenzeit Grundlage für eine erfolgreiche Richteranklage sein kann", erklärten die Vorsitzenden des Deutschen Richterbunds in einer Mitteilung. Diese Anklage, um die Wiederberufung Maiers zu verhindern, müsste der sächsische Landtag mit einer Zweidrittelmehrheit seiner Abgeordnetenstimmen auf den Weg bringen.
Fall Maier "beschämend" für Ministerium
Das sächsische Justizministerium hat bislang argumentiert, dass der Behörde in der Causa Maier die Hände gebunden seien. Ein internes Gutachten habe gezeigt, dass Maier ein Recht auf die Rückkehr habe, und dass das Ministerium in dieses Recht nicht eingreifen dürfe. Eine konkrete Entscheidung müsse im Laufe des Monats März fallen. Nachfragen der Deutschen Welle wollte eine Sprecherin nicht kommentieren: "Das Verfahren dauert noch an."
Dabei wächst der Druck auf das Ministerium. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nennt das Verhalten im Fall Maier "beschämend". Und der Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescanco wirft der Behörde vor: sie verweigere sich "dem Kampf gegen den Rechtsextremismus in der sächsischen Justiz."
Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht nicht nur im Fall Maier Handlungsbedarf. Es hält AfD-Politiker generell für ungeeignet, Beamte zu werden. In einer aktuellen Studie vom Februar 2022 heißt es: "Personen, die für die AfD eintreten und damit für rassistische und rechtsextreme Positionen, sind - vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall - aus dem Staatsdienst zu entlassen.“
Unerwartete Argumentationshilfe kommt ausgerechnet von einem der gerade noch einflussreichsten AfD-Politiker: Jörg Meuthen, der bis zum 28. Januar 2022 Co-Parteivorsitzender der AfD war. Seinen überraschenden Rücktritt begründete er in der Nachrichtensendung Tagesschau mit einer Warnung vor der Partei: "Ich sehe ganz klar totalitäre Anklänge." Die AfD weist alle derzeitigen Vorwürfe gegen die Partei als "absurd" zurück. Jens Maier war für die Deutsche Welle nicht erreichbar.
Die AfD und die Beamten
Die AfD hat in ihren Reihen viele Beamte: Polizisten, Soldaten, Staatsanwälte. Und zahlreiche von ihnen lassen ihren Dienst derzeit ruhen, weil sie als Abgeordnete in den Parlamenten sitzen. Der prominenteste: Björn Höcke. Vor seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen arbeitete er als verbeamteter Lehrer an einer Gesamtschule. Höcke ist die Ikone der Rechtsextremisten in der AfD. Unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" soll er für die Zeitschriften eines Neonazis mit Verbindungen ins rechtsterroristische Milieu geschrieben haben - davon war selbst seine eigene Partei überzeugt.
Für den weiteren Umgang der Behörden mit AfD-Mitgliedern im Staatsdienst wird in Deutschland mit Spannung auf das Frühjahr 2022 geschaut: denn im März könnte sich entscheiden, ob der Inlandsgeheimdienst die gesamte Partei AfD zum rechtsextremen Beobachtungsfall erklärt.
Über eine Klage gegen eine Beobachtung will ein Kölner Gericht im März entscheiden. Mit Hinweis auf das Verfahren wollte sich das Innenministerium nicht zum Umgang mit AfD-Mitgliedern im Staatsdienst äußern. Die neue Innenministerin, Nancy Faeser, hatte aber angekündigt, bis Ostern einen Aktionsplan zum Kampf gegen Rechtsextremismus vorlegen zu wollen. Denn der sei die größte Bedrohung für die Demokratie in Deutschland.