AfD-Parteitag: Wichtige Wahlen stehen an
1. Dezember 2017Frauke Petry war das international bekannteste Gesicht der deutschen Rechtspopulisten. Erinnert sei an ihr Porträt im "New Yorker". Einen Tag nach dem Erfolg der "Alternative für Deutschland" (AfD) bei der Bundestagswahl hatte sie jedoch, unter anderem weil sie parteiintern in die Defensive geraten war, bei maximaler Medienöffentlichkeit ihren Parteiaustritt erklärt. Nun tingelt sie durch die Provinz und macht Werbung für ihre neue Partei "Blaue Wende". Es wird der erste AfD-Parteitag ohne Frauke Petry sein.
Ihren Weggang hat die AfD in der Außenwahrnehmung ganz gut verdaut. Die Umfragewerte blieben stabil. Die neue Fraktion im Bundestag hat ihre Arbeit begonnen, ohne für größere Negativ-Schlagzeilen zu sorgen. Doch Petry hat eine Machtlücke hinterlassen - die andere ausfüllen wollen. Das dürfte auf dem am Wochenende in Hannover stattfindenden Delegierten-Treffen zu studieren sein, auf dem vor allem der Parteivorstand neu gewählt werden soll.
Wo spielt die Musik?
Manche in der Partei, wie der Bundestagsfraktionsvize und Landesparteichef aus Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, sehen in der neuen Bundestagsfraktion "politisch natürlich das neue Kraftzentrum der AfD, das stark in die Republik ausstrahlt" - so Holm im DW-Interview.
"Der Takt wird in der Partei vorgegeben", sagte dagegen André Poggenburg zur Rolle der Bundestagsfraktion. Der Landeschef der AfD in einer ihrer Hochburgen im Osten Deutschlands, im Bundesland Sachsen-Anhalt, schlug damit im DW-Gespräch einen etwas anderen Ton an. Droht hier ein neues Spannungsverhältnis zwischen Bundestagsfraktion und Parteiführung?
Alter Streit: Wie schnell soll man sich anpassen?
Die noch junge AfD, erst 2013 gegründet, steckt noch voller, unberechenbarer Dynamik - nicht nur personell, sondern auch strukturell und programmatisch. Einige sehen sich schon im Ergebnis erster parlamentarischer Erfahrungen auf dem Weg zum Koalitionspartner. Zuletzt war es Petry, die für eine solche Strategie warb. Andere beharren auf der Rolle als Außenseiter in Fundamentalopposition. Der Rechtsaußen der Partei, AfD-Chef in Thüringen Björn Höcke, empfahl jüngst seiner Partei "weiterhin maximalen Abstand zu den Altparteien" zu halten, um nicht in den "Niedergangsstrudel hineingezogen zu werden". Poggenburg betonte im DW-Gespräch, wie wichtig "außerparlamentarische Politik" bleibe. Wie schnell soll man sich anpassen?
Höcke, Ex-Gegenspieler von Petry, und Poggenburg gehören zum "Flügel", ein Sammelbecken der National- und Rechtskonservativen in der AfD. Geschätzt ein Drittel der AfD-Mitglieder sympathisiert mit dem "Flügel". Bei der Posten-Besetzung in der Bundestagsfraktion konnten sich der "Flügel" - jedenfalls mit eigenen Leuten - nicht durchsetzen. In Hannover, bei der Neuwahl des Parteivorstands mit seinen bislang 13 Mitgliedern könnte das nun anders laufen.
Gerangel in den vorderen Reihen
Eigentlich bot die AfD bei der Frage, wer zukünftig die Partei führt, bis zuletzt ein eher einmütiges Bild. Doch es blieb nicht dabei. Zur Erklärung: Bislang gibt es eine Doppelspitze in der Bundes-AfD. Nach Petrys Weggang war ein Platz verwaist - Jörg Meuthen war alleiniger Parteichef. Aus vielen Ecken der Partei hieß es, dass er das auch bleibe könne. Über den Co-Vorsitz wurde wenig geredet. Holm lehnte ab. Alice Weidel - Co-Fraktionsvorsitzende im Bundestag - auch. Höcke hielt sich im Unklaren, wohl wissend, dass seine Kandidatur zu sehr polarisieren würde.
Deshalb verwunderte es nicht, dass eine Einer-Spitze - mit Meuthen - ins Gespräch gebracht wurde. Entsprechende Anträge zur Änderung der Satzung der Partei finden sich im 177-seitigen Antragsbuch für den zweitägigen Parteitag.
Meuthen wurde einst von Petry als "Liberaler" in die Parteiführung geholt. Er entwickelte sich dann aber auch zu einem scharfen Rhetoriker, liebäugelte mit Höcke. Trotzdem blieb er ein Konsensmann in der AfD. Vom "Flügel" wird er auf jeden Fall unterstützt.
Ungeliebter Bewerber
Kurz vor dem Parteitag gab dann der Berliner AfD-Chef, Georg Pazderski, seine Kandidatur bekannt. Er gilt als eher moderater Realpolitiker. Der 67-jährige ehemalige Bundeswehrsoldat will die AfD schnell professionalisieren und auf Augenhöhe mit den anderen Parteien bringen, also eher so wie das auch Petry wollte. Pazderski sieht seine Kandidatur nicht als Machtkampf, sondern als normale Konkurrenz, sagte er in einem ARD-Interview. Er weiß um die Gefahr von offenen Machtkämpfen für die Darstellung der Partei nach innen und außen. Pazderski ist gut vernetzt mit den Gemäßigten der Partei.
Daraufhin meldete sich der 76-jährige Alexander Gauland zu Wort. Er führt zusammen mit Alice Weidel die Bundestagsfraktion. Gegen Pazderski würde er eventuell eine Kampfkandidatur wagen, gab er in der Presse bekannt. Gauland hat beste Kontakte zu Höcke und seinen Leuten. Pazderski würde deren Plan stören.
Erst das Personal, dann das Programm
Danach befragt, welchen Einfluss der "Flügel" aktuell in der AfD habe, antwortete Petry im DW-Gespräch: "Der Flügel hat sich durchgesetzt." Das zeige sich auch im Personaltableau für den Bundesvorstand. Für diesen hat sich neben Poggenburg auch der Brandenburger AfD-Chef, Andreas Kalbitz, ins Gespräch gebracht. Die beiden könnten Höcke gut vertreten.
Doch es gibt noch andere Stellschrauben. Im Antragsbuch finden sich zwei Verbotsanträge für die "Alternative Mitte". Das ist eine, einst von Petry stark beeinflusste Gruppe der "Gemäßigten" in der AfD, die nun zum Schweigen gebracht werden könnte. Ein anderer Antrag fordert die Aufhebung des Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke, das nach seiner "Schandmal-Rede" im Januar 2017 eingeleitet worden war.
Auch programmatisch kommen Anträge aus dem "Flügel"-Umfeld. So soll im kommenden Jahr eine "grundsätzliche Aussprache über die zukünftige Ausrichtung der Partei" beginnen. Ein anderer Antrag gibt sogleich Ideen vor: Die AfD brauche eine "klare sozialpolitische Programmatik". Poggenburg selbst hat einen Antrag eingereicht, um die Themen "Klimawandel und Landschaftsschutz" auf die Agenda zu setzen. Das wäre ein Angriff auf die bisherige Deutungshoheit durch den politischen Gegner auf der linken Seite.
Interessant sind auch Anträge zum Prozedere der Parteitage selbst. Sollen sie für 600 Delegierte sein, wie jetzt, oder geöffnet werden für die rund 30.000 Mitglieder, die dann alle eingeladen wären? Letzteres würde die Dynamik verstärken. Genau das ist die Motivation der Höcke-Leute, die in der AfD weniger eine Partei, sondern vielmehr eine Bewegung sehen, die das Land von Grund auf verändern soll.