AfD-Gäste provozieren Eklat in KZ-Gedenkstätte
31. August 2018Der Vorfall ereignete sich bereits am 10. Juli, wurde aber zunächst nicht angezeigt. Die rund 20-köpfige Gruppe aus dem Wahlkreis von AfD-Bundestagsfraktionschefin Weidel war schon am Anfang der Führung auffällig geworden, wie der Sprecher der Gedenkstätten-Stiftung, Horst Seferens, mitteilte. "Diese Leute kannten sich offenbar gut aus - da wurde das gesamte Repertoire des geschichtlichen Revisionismus und des Relativismus aufgefahren", führte Seferens im "Tagesspiegel" aus, der zuerst über den Eklat berichtet hatte.
Beispielsweise seien die Verbrechen der Nazis in dem Konzentrationslager durch Vergleiche mit angeblichen Verbrechen der Alliierten relativiert sowie Zweifel an der technischen Durchführung der Massenmorde geäußert worden. "Dabei wurde nach unserer Wahrnehmung die Grenze zu strafbaren Äußerungen bewusst nicht überschritten", sagte Seferens.
Der Referent habe die Führung später abgebrochen. Die Gruppe sei des Geländes verwiesen worden. Eine Regierungssprecherin betonte, die Bundesregierung weise "jede Relativierung und Verharmlosung" von NS-Verbrechen "entschieden" zurück.
Die Brandenburger Polizei leitete Ermittlungen ein. Ein Polizeisprecher sagte, der Staatsschutz sei mit der Angelegenheit befasst.
Wie der Direktor der Gedenkstättenstiftung, Axel Drecoll, ausführte, handelt es sich nicht um den ersten Vorfall dieser Art: "Wir beobachten mit Sorge, dass zumindest Teile der AfD ganz klar solche geschichtsrevisionistischen Tendenzen propagieren."
Das Internationale Auschwitz Komitee zeigte sich empört. "Die AfD und ihre Kernklientel entpuppen sich immer deutlicher als Ableger vom braunen Stamm, deren Aktivitäten endlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollten", verlangte Vizepräsident Christoph Heubner.
Der Zentralrat der Juden warf der AfD Berechnung vor. "So bitter es ist, überraschend ist das Verhalten einiger Teilnehmer der AfD-Besuchergruppe nicht", sagte der Zentralrats-Vorsitzende Josef Schuster dem "Tagesspiegel". AfD-Spitzenpolitiker hätten bereits mehrfach in Äußerungen die NS-Zeit relativiert und Opfer der Schoa verhöhnt. "Damit wollen sie nach meiner Einschätzung genau solche Bürger als Anhänger gewinnen, wie jene in der Besuchergruppe."
Weidel weiß von nichts
Die Fahrt der Gruppe, die vom Bodensee stammt, war vom Bundespresseamt finanziert worden. Weidel hatte die Besucher am Tag vor dem Eklat in der Gedenkstätte zu einem Gespräch im Bundestag empfangen. Abends traf sie sich mit ihnen nach Angaben ihres Sprechers zum Essen. Dieser sagte, bei dem Besuch in Sachsenhausen sei kein Mitarbeiter Weidels zugegen gewesen, sondern nur ein Begleiter des Bundespresseamts. Von dem Zwischenfall hätten Weidel und ihre Mitarbeiter erst durch Recherchen eines Journalisten erfahren.
Beim Holocaust-Mahnmal nahe dem Brandenburger Tor in Berlin seien vergleichbare Fälle mit Besuchergruppen nicht bekannt, sagte eine Sprecherin der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Es kämen jährlich rund 2300 Gruppen, darunter etwa 70 bis 80 des Bundespresseamtes. Darunter seien AfD-Gäste angemeldet und zum Teil auch schon dort gewesen - stets "unauffällig", wie es hieß.
uh/rb (dpa, afp)