Acht Jahre Arbeitslager für Chodorkowski
23. September 2005An ein Wunder glaubten am Ende selbst die Anwälte nicht mehr: Ein Moskauer Stadtgericht hat am Donnerstag (23.9.05) das Strafurteil gegen den russischen Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski und seinen Geschäftspartner Platon Lebedew für rechtskräftig erklärt. Lediglich das Strafmaß reduzierten die Richter von neun auf acht Jahre. Beide hätten sich des Betrugs und der Steuerhinterziehung schuldig gemacht, bestätigten die Richter das erste Urteil vom Mai 2005 und lehnten die Anträge der Verteidigung auf Formfehler im ersten Prozess ab.
Sie reduzierten das Urteil von neun auf acht Jahre, weil den Angeklagten nicht eindeutig nachzuweisen war, dass sie Gerichtsurteile vorsätzlich mißachtet hätten. Zehn Tage bleiben Chodorkowski und seinem ehemaligen Geschäftspartner jetzt, um die Haftstrafe in einem Arbeitslager anzutreten.
"Beleidigung unserer Gesetze"
Er sei "sehr zufrieden", sagte Staatsanwalt Dimitri Schochkin. Das Gericht habe Chodorkowskis Verurteilung als "rechtmäßig, begründet und gerecht" erachtet.
Die Verteidigung kündigte an, das Urteil des Berufungsgerichts anzufechten und dazu notfalls auch vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. "Das heutige Urteil ist eine Beleidigung unserer Gesetze" sagte Chodorkowskis Anwalt Juri Schmidt und die "kosmetische" Absenkung des Strafmaßes hält er für "reine Propaganda". Er und sein Mandant wollen nun gegen das Urteil den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen.
Ende des Schauprozesses
Nach fast zwei Jahren schließt sich damit der Kreis im spektakulärsten Gerichtsprozess in der Geschichte der Russischen Föderation. Am 25. Oktober 2003 war Chodorkowski, damals noch Mehrheitseigner des größten russischen Ölkonzerns Yukos, von Geheimdienstkräften in seinem Privatjet verhaftet worden. Bereits an jenem Tag habe das Urteil für ihren Sohn festgestanden, sagte Chodorkowskis Mutter Marina am Donnerstagabend in Moskau.
Hintergrund sind die politischen Ambitionen Chordorkowskis, denen das Moskauer Gericht nun mit der Verurteilung ein vorläufiges Ende gesetzt hat. Er hatte mit seinem Vermögen die Opposition unterstützt und Ende August 2005 seine Bewerbung um einen Sitz im russischen Unterhaus, der Duma, angekündigt. In dem Bezirk war eine Nachwahl nötig geworden. Chodorkowski hätte bei der Wahl nur antreten können, solange er nicht rechtskräftig verurteilt war.
Letzte Chance auf Immunität
Im Berufungsverfahren hatten Chodorkowski und seine Anwälte versucht, den Prozess in die Länge zu ziehen, um einen Gerichtsbeschluss vor der Nachwahl zur Duma im Dezember zu verhindern. Zugleich warf die Verteidigung der russischen Justiz vor, das Verfahren beschleunigen zu wollen, um Chodorkowskis Kandidatur zu verhindern. Mit dem Urteil vom Donnerstag hat Chodorkowski auch seine letzte Chance verloren, durch ein Hintertürchen Immunität als Abgeordneter der Staatsduma zu erlangen. Die Ölreserven des einstigen Yukoskonzerns sind bereits wieder unter staatlicher Kontrolle. (ina)