Acht Fragen an Marcel Ophüls
25. Januar 2016Marcel Ophüls war ein gefragter Mann beim Nachwuchsfestival "Max Ophüls Preis". Dort, wo vor allem Regisseure, die kaum das dreißigste Lebensjahr vollendet haben, ihre Debüts vorstellen, hatte Marcel Ophüls ein dicht gedrängtes Programm. Der 88jährige stellte eigene Filme vor, diskutierte mit dem Nachwuchs, gab Interviews.
Marcel Ophüls, 1927 in Frankfurt geboren, Sohn des berühmten deutsch-französischen Regisseurs Max Ophüls (1902-1957), verbrachte seine Jugend in Frankreich und in den USA, war US-Soldat und wurde später französischer Staatsbürger. Zunächst Journalist, drehte Marcel Ophüls in den 1960er Jahren Spielfilme mit Größen wie Jeanne Moreau oder Jean-Paul Belmondo. Dann konzentrierte er sich auf lange Dokumentationen, die historische Themen und den Umgang Frankreichs mit dem 2. Weltkrieg behandelten. 1989 erhielt er in Los Angeles einen Oscar für seinen Film "Hotel Terminus: Zeit und Leben des Klaus Barbie". Wir trafen Marcel Ophüls in der Heimatstadt seines Vaters zum Gespräch.
Deutsche Welle: Herr Ophüls, haben Sie eigentlich noch ein besonderes Verhältnis zur Stadt Saarbrücken?
Marcel Ophüls: Zur Stadt nicht, aber ich freu mich, hier zu sein. Ich kenne Saarbrücken eigentlich nicht. Ich war zwar im letzten Jahr schon einmal hier, davor aber das letzte Mal bei meinen Großeltern, als ich vier Jahre alt war. Dass es das Festival "Max Ophüls Preis" für deutschsprachige Filme gibt, ist natürlich eine ganz große Sache. Das hätte meinem Vater großen Spaß gemacht.
Wie stehen Sie heute zu Ihrem Vater, zu seinen Spielfilmen - wollten Sie eigentlich in seine Fußstapfen treten? Sie haben später eine andere Richtung eingeschlagen, haben sich auf Dokumentationen konzentriert.
Mein Vater war ein Genie. Gerade, weil er in meinen Augen völlig außer Konkurrenz stand, kam mir die Idee nie, in seine Fußstapfen zu treten. Ich bin ja auch nicht beim Film gelandet, weil ich dort landen musste. Ich hätte auch andere Berufe ergreifen können. Ich habe nur sehr schnell schon als Kind gemerkt, wie schön das für meinen Vater war, diesen Beruf ausüben zu können.
Sie haben Dokumentationen mit zum Teil einer Länge von mehreren Stunden gedreht. Wie sehen Sie die heutige Entwicklung der Medien, die ja oft auf schnelle Schnitte und kurze Formate setzt?
Das ist ganz richtig, was Sie sagen. Es soll alles schneller gehen. Die Gefahr ist, dass es oberflächlicher wird und die Ungeduld zunimmt. Andererseits: Es gibt immer noch sehr lange Dokumentationen im Fernsehen, auch über mehrere Abende.
Bei mir war es eine Sache der Dramaturgie. Ich möchte, dass man die Leute, die vor der Kamera erscheinen, kennenlernt. Dass sie zu Persönlichkeiten werden und nicht einfach nur Sprecher sind. Es gibt viele historische Sendungen, die statt einen Kommentar zu haben, immer nur eine Reihe von Historikern präsentieren, die vor der Kamera sitzen und schnell was sagen und dann von Archivaufnahmen und anderen Historikern abgelöst werden. Das ist manchmal sehr interessant, man lernt dabei etwas. Aber es hat keinen emotionalen Wert. Ich glaube wie mein Vater, dass eine Dramaturgie im Film, im Theater, auch in der Oper, nicht eine intellektuelle Sache ist, sondern von Emotionen lebt. Dass man weinen und lachen kann - und dazwischen auch ein bisschen denken.
Der US-amerikanische Filmregisseur Michael Moore, dessen neuester Film demnächst bei der Berlinale läuft, hat mal gesagt, er hätte viel von Ihnen gelernt. Macht Sie das stolz?
Ja natürlich. Ich glaube, dass Michael Moore ein wahnsinnig begabter, interessanter und engagierter Filmemacher ist. Natürlich ehrt es mich, wenn er meint, er hätte bei mir gelernt und ich hätte Einfluss auf ihn gehabt. Er ist aggressiver als ich (lacht). Er knallt die Leute an die Wand, wenn es sein muss. Aber es ist wahnsinnig spannend, wenn er das macht. Das ist auch Showbusiness.
Interessieren sich die jungen Leute hier in Saarbrücken für Ihre Arbeit, für Ihre Art des Filmemachens, Ihre langen Formate?
Das hoffe ich. Denn ich mache gerade wieder einen neuen Film (lacht).
Worum geht es da? Oder wollen Sie noch nicht darüber reden?
Eigentlich nicht. Es ist schwer, eine Suppe zu beurteilen, wenn sie gerade am Kochen ist. Es geht um eine Sache, die schon lange fällig ist: um Israel und Palästina und den Gaza-Streifen, über den endlosen Krieg, die verzweifelte Lage. Es geht aber auch um die Auswirkungen in Frankreich, "Je suis Charlie" und einen neuen Antisemitismus.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Flüchtlingskrise in Deutschland? Sie sind Franzose, haben Ihr Land natürlich besonders im Blick, aber auch die Situation in Deutschland.
Die Situation in Frankreich ist eine ganz andere, aus demographischen und auch aus wirtschaftlichen Gründen. Aber Frau Merkel sind Haltung und Politik sehr hoch anzurechnen, ganz bestimmt, auch die ihrer Regierung. Nicht die der CSU, die Scheiß-Bayern sind schon immer die reaktionärsten Kräfte in Deutschland gewesen. Obwohl Bayern und München sehr schön sind...
Aber die anfängliche Großzügigkeit geht jetzt zurück, weil die Bevölkerung Angst kriegt. In Frankreich ist die Situation anders, weil die islamische Bevölkerung einen sehr viel größeren Anteil hat. Es ist ja der größte in Europa. Die Konflikte waren schon vorher da, vor der Emigrationswelle. Auch die vielen Ressentiments. In Frankreich ist die Gefahr eines Bürgerkriegs vorhanden. So eine Gefahr gibt es in Deutschland momentan nicht.
Wie sehen Sie die Zukunft? Ist Europa eine Option? Geht es nur über ein gemeinsames Europa?
Was die Flüchtlingen betrifft, selbstverständlich. Es muss verteilt werden. Selbstverständlich müssen das die Europäer machen, denen es aber immer schwerer fällt, sich über irgendetwas einig zu werden.
Die Hoffnung, die es früher gab für ein richtig vereinigtes Europa, die gibt es doch schon längst nicht mehr. Heutzutage ist das Traum-Tänzerei. Wer will sich denn mit dem schrecklichen Mann in Ungarn (Regierungschef Orban) überhaupt verständigen wollen? Das ist doch unmöglich. Das sind doch Faschisten. Und die Polen waren auch nicht viel besser. Ich bin da pessimistisch.