Absturzopfer fordern mehr Schmerzensgeld
18. Juli 2015"Die Empörung ist sehr groß. Wir lehnen das Angebot ab, weil die Hinterbliebenen es als unangemessen empfinden", sagte Elmar Giemulla. "Wir erwarten jetzt ein neues Angebot." Der Berliner Anwalt vertritt nach eigenen Angaben Familien von 35 Passagieren der Germanwings-Maschine, die am 24. März in den französischen Alpen abgestürzt war.
Die Lufthansa, Mutterkonzern von Germanwings, hatte den rechtmäßigen Erben jedes Opfers mit deutscher Nationalität 25.000 Euro Schmerzensgeld angeboten. Zudem soll jeder nächste Angehörige mit Wohnsitz in Deutschland 10.000 Euro erhalten für "unterstellte eigene Gesundheitsschäden". Dazu zählen laut Lufthansa Eltern, leibliche Kinder, Adoptivkinder, Ehegatten und eingetragene oder eheähnliche Lebenspartner mit gemeinsamem Wohnsitz.
200.000 Euro pro Anspruchsberechtigter
In einem Antwortschreiben Giemulla an den Anwalt der Gegenseite heißt es: "Es wird Sie nicht verwundern, dass meine Mandanten mich gebeten haben, dieses Angebot als unangemessen abzulehnen." In dem siebenseitigen Brief vom 13. Juli fordert der Anwalt der Opfer anstatt des sogenannten "ererbten Schmerzensgelds" in Höhe von 25.000 Euro eine "jeweils sechsstellige Zahl im unteren Bereich" - und zwar sowohl für die rechtmäßigen Erben als auch für weitere Angehörige, denen der Luftfahrtkonzern ein "Angehörigenschmerzensgelds" in Höhe von 10.000 Euro angeboten hatte.
Der Zeitung "BILD am Sonntag" gegenüber spezifizierte Giemulla die Entschädigungsforderung der Hinterbliebenen: 200.000 Euro würden verlangt. Das bisherige Angebot sei "keine angemessene Anerkennung des Leids, das ihnen zugefügt wurde".
Zudem fordert der Rechtsanwalt, den Kreis der Anspruchsberechtigten auch auf Großeltern, Geschwister sowie Enkel zu erweitern. Den von der Lufthansa genannten Kreis der Entschädigungsberechtigen bezeichnet er in dem Schreiben als "zu eng definiert". Insgesamt sei der Vorschlag der Lufthansa "kein Angebot, mit dem Verhandlungen eröffnet werden könnten", heißt es am Ende des Briefes. Die Lufthansa wollte das Schreiben des Opferanwalts auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht kommentieren.
EU-Arbeitsgruppe zu Germanwings für psychologische Tests für Piloten
Nachdem der Co-Pilot Andreas L. den Absturz der Germanwings-Maschine absichtlich herbeigeführt hatte, beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe der Europäischen Union (EU) unter Leitung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) damit, wie so etwas in Zukunft verhindert werden könnte. Am Freitag empfahlen sie unter anderem verpflichtende psychologische Tests für Piloten während ihrer Ausbildung oder vor Dienstantritt. Hilfreich könnten demnach auch unangekündigte Alkohol- und Drogentests sein. Zudem sollten Details zu Arztbesuchen von Piloten in einer europaweiten Datenbank gespeichert werden.
Bei dem Absturz vor vier Monaten hatte der Copilot nach den Erkenntnissen der Ermittler seinen Kollegen aus dem Cockpit ausgesperrt und anschließend die Maschine absichtlich zum Absturz gebracht. Die Experten plädierten daher auch für den Grundsatz, dass immer zwei Personen in der Pilotenkanzel sein müssen.
Der 27-Jährige soll psychische Probleme und Suizidgedanken gehabt haben, die er vor seinem Arbeitgeber verheimlichte. Alle 150 Menschen an Bord des Germanwings-Fliegers von Barcelona nach Düsseldorf kamen ums Leben, darunter viele Deutsche.
nem/rb (dpa, afp, rtr)