Abholzungen und Megadürre verschlimmern Brände in Brasilien
11. September 2024Die seit Wochen anhaltende Megadürre in Brasilien trocknet Flüsse aus und verwandelt Wälder in Brandherde. Fast 60 Prozent des Landes sind betroffen.
"Dies ist das erste Mal, dass sich eine Dürre vom Norden bis in den Südosten des Landes erstreckt", sagte Ana Paula Cunha, Forscherin am Nationalen Zentrum für die Überwachung und Frühwarnung von Naturkatastrophen, in einer Erklärung gegenüber Associated Press. "Es ist die intensivste Dürre in der Geschichte".
Präsident Luiz Inacio Lula da Silva besuchte am Dienstag Dörfer im Amazonasgebiet, die mit niedrigen Wasserstand zu kämpfen haben.
In diesen abgelegenen Gebieten im Regenwald sind die Flüsse lebenswichtig. Wenn sie austrocknen, bedroht das die Versorgung mit grundlegenden Gütern und Lebensmitteln.
In den ersten beiden Septemberwochen wüteten ausserdem mehr als 20.000 Waldbrände im Amazonasgebiet. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens forderte darauf hin die Regierung auf, Maßnahmen anzuordnen.
"Wir nehmen die Notwendigkeit sehr ernst, Dürre, Abholzung und Brände zu bekämpfen", sagte Präsident Lula.
Er kündigte die Einrichtung einer neue Behörde an, die sich mit extremen Klimarisiken befassen und Vorschläge machen soll, wie die Bundesregierung schneller auf extreme Wetterereignisse reagieren kann. "Wir müssen uns an solche Phänomene anpassen und vorbereitet sein“, so Lula.
Extreme Hitze und Dürre schüren Brände
Auch im Bundesstaat Sao Paolo im Süden des Landes wüteten diesen Monat etwa 1.000 Brände.
Die Trockenzeit in Brasilien dauert normalerweise von August bis Oktober. Doch Klimaexperten der World Weather Attribution (WWA), einer Gruppe von Wissenschaftlern, die die Auswirkungen des Klimawandels auf extreme Wetterbedingungen untersuchen, haben berechnet, dass der vergangene Juni der "trockenste, heißeste und windigste" Monat des Landes seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1979 war.
Aufgrund dieser Bedingungen erlebten der Bundesstaat São Paulo und der weiter nördlich gelegene Amazonas-Regenwald die schlimmste Brandsaison seit Jahrzehnten. Im August wurden im Bundesstaat São Paulo mehr als 3.480 einzelne Brände registriert, doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2023. Und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024
gab es im Amazonasgebiet die meisten Feuerausbrüche der letzten 20 Jahre.
Dieselben extremen Bedingungen haben auch die Rekordbrände in der Hochebene vom Cerrado, einer tropischen Savanne und im Pantanal entfacht. Das Pantanal ist das größte tropische Feuchtgebiet der Welt mit einer reichen Vielfalt an verschiedenen Pflanzen- und Tierarten. Es liegt zwischen dem Amazonas und São Paulo. Im Juni verbrannte dort eine Fläche von 6000 Quadratkilometern.
Rund 20 Prozent des Amazonas-Regenwalds sind bereits verschwunden
Anfang August erklärte die WWA In einem Bericht, dass die Brände im Pantanal "aufgrund des Klimawandels um 40 Prozent intensiver" gewesen seien. Die Daten belegen dies: Die jährlichen Niederschläge in den Feuchtgebieten sind seit mehr als 40 Jahren stetig zurückgegangen.
"Diese Megadürren werden immer häufiger und heftiger", sagt Carlos Peres. Der Brasilianer ist Experte für Naturschutzökologie an der University of East Anglia in Großbritannien und fügt hinzu, dass etwa drei Fünftel Brasiliens zunehmend trockener würden.
Anhand einer Analyse von Satellitenbildern deckte das brasilianische Umweltinstitut MapBiomas im Juni auf, dass die Regionen Amazonas und Pantanal "mit einem ernsthaften Wassermangel konfrontiert sind".
Der Amazonas-Regenwald erlebte von Juni bis November 2023 eine historische Dürre, die durch geringe Niederschläge und anhaltend hohe Temperaturen verursacht wurde. Aber das Ökosystem des Pantanal trocknete 2023 am stärksten aus und verzeichnete einen Rückgang der Wasserfläche von 61 Prozent im Vergleich zum historischen Durchschnitt von 1985.
Peres wuchs in den 1960er und 1970er Jahren als Sohn eines Viehzüchters im Bundesstaat Pará am östlichen Rand des Amazonas-Regenwalds auf. Im Laufe seines Lebens hat er miterlebt, wie der Amazonas um etwa 20 Prozent schrumpfte. Und mit dem Verlust des Waldes geht auch ein Teil des verbliebenen Waldes zunehmend in Flammen auf.
"Bis vor etwa 25 Jahren brannten die Wälder im Amazonasgebiet nicht, selbst wenn sie auf Sandböden und saisonal trockenen Gebieten lagen, es sei denn, es gab irgendeine Art von Störung durch den Menschen, wie z.B. Holzgewinnung", sagt Peres. "Aber das hat sich geändert."
Er sagt, dass die aufeinanderfolgenden Dürren und kürzeren Regenzeiten den Böden nicht genug Zeit geben, sich mit Wasser zu versorgen, wodurch die Vegetation darüber anfälliger für Brände wird.
Luciana Gatti, die eine Gruppe von Forschern am INPE leitet, dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung, sagt, dass sich das Problem nur noch verschärft. "Wir beschleunigen den Klimakollaps", so Gatti gegenüber der DW. Sie betont, dass die Abholzung mehr zur Temperaturerhöhung im Amazonasgebiet beitrage als der globale Klimawandel selbst. "Der verbleibende Wald ist nicht mehr derselbe; es ist, als wäre der Amazonas krank."
Bäume und andere Pflanzen wirken als Klimaregulatoren, indem sie zum einen das Treibhausgas CO2 absorbieren. Zum anderen geben Bäume Wasserdampf in die Luft ab, die sogenannte Evapotranspiration. In Brasilien wirke das aus den Feuchtgebieten des Amazonas und des Pantanal verdunstete Wasser als "Klimapuffer", durch die zunehmenden Waldbrände und die Abholzung wird dieser Puffer geschwächt.
In der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studieschrieb Gatti 2021, dass Teile des südöstlichen Amazonasgebiets sogar als CO2-Quelle zu wirken beginnen, anstatt es wie üblich zu absorbieren. Und während die Abholzungen in den letzten Jahren etwas zurückgegangen seien, habe sich die Waldschädigung durch Feuer und andere Faktoren verschlimmert. "Und das Problem ist, dass das Feuer jedes Mal unkontrollierbarer wird."
Dürren und Waldbrände werden häufiger
"Diese Extremereignisse werden immer häufiger", sagt die brasilianische Pflanzenökologin und Postdoktorandin Julia Tavares an der schwedischen Universität Uppsala. Sie und ihre Kollegen stellten in einer 2023 veröffentlichten Studie fest, wie verschiedene Teile des Regenwalds auf die wärmeren, trockeneren Bedingungen reagierten und dass Teile des Amazonas-Regenwalds zunehmend unter Druck gerieten.
Das World Resources Institute berichtet, dass Waldbrände auf der ganzen Welt schlimmer werden und doppelt so viele Bäume zerstören wie noch vor 20 Jahren. Und ein Bericht des UN-Umweltprogramms aus dem Jahr 2022 prognostiziert, dass extreme Brände bis 2050 um 30 Prozent zunehmen werden.
Tavares sagt jedoch, dass der Klimawandel die Brände in Brasilien nicht direkt auslöst. Natürlich auftretende Brände seien in einem tropischen Klima sehr selten. "Sie werden von Menschen verursacht, von menschlichen Handlungen, die durch den Klimawandel noch verstärkt werden, weil dann bessere Bedingungen für die Ausbreitung des Feuers bestehen."
Sie verwies auf die riesigen Landflächen, die oft von Viehzüchtern und Bauern gerodet werden, die mit einer als Brandrodung bekannten Technik Feuer legen und so den unberührten Regenwald ständig zerstören.
"Die Dinge ändern sich sehr schnell", sagt Carlos Peres und schildert, wie die zunehmende Zahl von Bränden und Dürren die Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit gefährde, die Artenvielfalt vernichte und die menschliche Gesundheit schädige.
Er wies darauf hin, dass jedes Mal, wenn ein Wald brennt, die Voraussetzungen für "häufigere und intensivere Brände beim nächsten Mal" geschaffen werden, da mehr von der Vegetation abstirbt und zu Brennstoff für den nächsten Waldbrand wird.
"Wenn der Wald das dritte Mal brennt, dann haben Sie keinen Wald mehr", sagt Peres. "Und der Schaden, der dadurch entsteht, sowohl was den Verlust der Artenvielfalt als auch den Verlust der Kohlenstoffspeicherung angeht, ist enorm."
Der Artikel wurde am 11.9.2024 aktualisiert.
Adaptiert aus dem Englischen von Gero Rueter