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90 Minuten Frieden

Adrian Kriesch5. Dezember 2012

Tödliche Anschläge, religiös motivierte Übergriffe: Kaduna im Norden Nigerias macht vor allem mit Gewalt Schlagzeilen. Viele Bewohner leben in Angst. Doch beim Fußball rücken Christen und Muslime näher zusammen.

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Muslimische und christliche Fans bei einem Fußballspiel in Kaduna, Nigeria Foto: Adrian Kriesch (DW)
Bild: DW/A. Kriesch

Anspannung bei den Fans in Kadunas Ahmadu-Bello-Stadion: Gerade hat das Elfmeterschießen begonnen - Finale im Vorbereitungsturnier für die neue Saison. Die Gastmannschaft Wikki Tourists aus Bauchi darf zuerst schießen, der Torhüter der Heimelf Kaduna United ist machtlos.

Auf den Rängen fiebern Yakubu Obunde und Tony Audu mit. Tony hat früher mal bei Kaduna United gespielt und ist Christ. Yakubu ist Geschäftsmann und kommt aus einer muslimischen Familie. Hier, meint Yakubu, sei das aber völlig egal. Religion sei eine persönliche Angelegenheit, die im Fußball nichts zu suchen habe. "Ich wurde hier in Kaduna geboren, als Christen und Muslime noch normal zusammenlebten. Das Problem ist doch nicht die Religion, sondern es sind die Missverständnisse", sagt Yakubu und schaut wieder auf das von der Sonne versengte Spielfeld. Sein Freund Tony neben ihm nickt. "Ob Muslim oder Christ - hier sind wir vereint."

Die Fußballfans Yakubu Obunde und Tony Audu in Kaduna, Nigeria Foto: Adrian Kriesch (DW)
Zwei Religionen, ein Verein: Yakubu Obunde und Tony AuduBild: DW/A. Kriesch

Getrennte Stadteile für Christen und Muslime

Der Sport ist eine willkommene Abwechslung in Kaduna, wo sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten stark verschlechtert hat. Immer wieder verübt die islamistische Sekte Boko Haram hier Anschläge. Und häufig kommt es im Gegenzug zu willkürlichen Vergeltungsattacken. Die meisten Christen sind in christliche Stadtteile gezogen, die Muslime in muslimische. Der Kontakt und Austausch untereinander gehe zurück, berichten auch Tony und Yakubu.

Aber der Fußball mache ihnen Mut. Ein junger Portugiese soll bald das Team von Kaduna United trainieren. Daniel Sérgio war früher Trainer der Jugendmannschaft von Benfica Lissabon. Jetzt sucht er ausgerechnet in Kaduna eine neue Herausforderung. Die Sicherheitslage sei selbstverständlich ein Problem, sowohl für ihn als auch für die Mannschaft. "Aber ich muss den Spielern klar machen, dass sie einfach nur ihren Job machen sollen", sagt Sérgio. "Das ist reine Kopfsache."

Soldaten vor einer Kirche, die Ziele eines Selbstmordanschlags war Foto: Stringer (afp)
Chaos nach einem Bombenanschlag in KadunaBild: AFP/Getty Images

Zwei Halbzeiten ohne Sorgen

Auf den Zuschauerrängen im Stadion - ein paar Meter von den Fußballfans Tony und Yakubu entfernt - sitzt der Vizegouverneur von Kaduna, Alhaji Ramalan Yaro. Viele Menschen in Nigeria machen die Politik für die schlechte Sicherheitslage verantwortlich. Doch das Spiel ist eine gute Werbeveranstaltung für den Politiker.

Ein Parteifreund hat das Turnier finanziert, Yaros Anwesenheit wird vom Stadionsprecher pausenlos gehuldigt. Spieler und Fans mussten fast eine Stunde warten, bis der ranghohe Politiker im schwer bewachten Konvoi ins Stadion fuhr, um selbst den symbolischen Anstoß zu machen.

Kadunas Vizegouverneur Alhaji Ramalan Yaro Foto: Adrian Kriesch (DW)
Vizegouverneur Yaro: Fußball als einzige vereinigender FaktorBild: DW/A. Kriesch

"Fußball ist doch der einzige vereinigende Faktor der Menschen in diesem Land", sagt der Vizegouverneur während des Spiels. "Man sieht es doch hier im Stadion. Die Leute haben verschiedene Wurzeln, Religionen, Stämme und Kulturen. Und sie sprechen hier nur über Fußball und vergessen ihre Unterschiede."

Als Kaduna United den entscheidenden Elfmeter zum 6:5 verwandelt, kommt das Gefühl von Frieden und Zusammengehörigkeit nochmal auf. Hunderte Fans laufen jubelnd auf den Rasen und feiern gemeinsam ihr Team. Für ein bisschen mehr als 90 Minuten haben sie tatsächlich all ihre Sorgen und Probleme vergessen.