6-Stunden-Ticket für 225 Euro: Paris sagt SUVs den Kampf an
Veröffentlicht 3. Februar 2024Zuletzt aktualisiert 5. Februar 20241,3 Millionen Wahlberechtigte in der französischen Hauptstadt waren aufgerufen, über eine ganz einfache Frage abzustimmen: "Wollen Sie mehr oder weniger SUVs auf den Straßen von Paris?"
Bei der Abstimmung von Sonntag erhielt die regierende Bürgermeisterin Anne Hidalgo das erhoffte Nein. "Je größer, desto umweltschädlicher", fasst die Sozialistin ihre Überzeugungen zur Kfz-Mobilität zusammen. Eine Mehrheit von rund 54,5 Prozent ist ihr bei der Bürgerbefragung gefolgt und stimmte für die Erhöhung der Parkgebühren. Zwar lag die Beteiligung an der Abstimmung nur bei knapp sechs Prozent - doch Einwände, das Ergebnis sei damit kaum repräsentativ, lässt die Stadtverwaltung nicht gelten.
Hidalgo baut Paris seit nunmehr zehn Jahren radikal um. Sie will die Weltmetropole ökologischer und lebenswerter machen und verweist auf Studien, wonach mehr als die Hälfte der Einwohner schlechte Luft einatmen muss. Um Paris grüner zu machen, hat die Bürgermeisterin gegen große Widerstände bereits das Seineufer zur Fußgängerzone erklärt, die Hauptverkehrsader Rue de Rivoli im historischen Zentrum für den Verkehr gesperrt und flächendeckend Tempo 30 eingeführt. Gleichzeitig wurden Parkplätze abgebaut und Radwege neu angelegt. Bis 2026 soll Paris zu 100 Prozent radfahrtauglich sein.
225 Euro für sechs Stunden parken
Bei der Bürgerbefragung ging es nicht um ein Verbot, sondern darum, Autofahrer durch hohe Preise abzuschrecken. Die Bürger sollten sich "für oder gegen die Einführung eines Sondertarifs für das Parken schwerer, sperriger und umweltschädlicher Fahrzeuge" aussprechen, die weltweit unter dem Kürzel SUV (Sport Utility Vehicle) bekannt sind.
Hidalgo kann nun die Parkgebühren für Autos mit Verbrennungsmotor oder Plug-in-Hybridantrieb und einem Gewicht von mehr als 1,6 Tonnen (zwei Tonnen für Elektrofahrzeuge) in den zentralen Pariser Bezirken künftig auf 18 Euro pro Stunde verdreifachen. Für sechs Stunden im Zentrum werden sogar 225 Euro fällig. In den Außenbezirken ist die erste Stunde mit zwölf Euro nur unwesentlich billiger.
Erst die Geländewagen, dann alle Autos?
Widerstand gegen das Projekt kam vom französischen Automobilclub "40 millions d'automobilistes". Mit der Online-Petition "Stoppt den Kampf gegen SUVs" versuchten die Autofreunde das Vorhaben zu stoppen, das weit über die Hauptstadt hinaus Auswirkungen haben könnte. Schon jetzt diskutieren Politiker auch in anderen französischen Großstädten wie Lyon, Bordeaux oder Grenoble über höhere Parkgebühren für große Autos.
Wie in anderen EU-Ländern sind auch in Frankreich SUVs besonders beliebt. Fast die Hälfte der Neuzulassungen entfielen im ersten Halbjahr 2023 nach Angaben des Verbandes auf diese Fahrzeugklasse. Beim Automobilclub ist man sich sicher, dass die Kampfansage an die SUVs erst der Anfang ist. "Es geht darum, das Auto insgesamt auszurotten."
Viele Ausnahmen könnten Wahl erleichtern
In der französischen Hauptstadt blieben die Bürger gelassener. Denn Pariser Anwohner und stationäre Gewerbetreibende, die in ihren Parklizenzzonen parken, Taxifahrer an speziellen Taxiständen, Handwerker, Angehörige von Gesundheitsberufen sind von der Regelung nicht betroffen.
Im Wahlkampf für die SUV-"Strafsteuer", für die sich auch französische Umweltverbände stark machten, verwies die Bürgermeisterin nicht nur auf die hohen Emissionen der schweren Fahrzeuge. Auch die Verkehrssicherheit und eine bessere Aufteilung des "öffentlichen Raums" sprächen gegen die schweren Autos.
Nach Angaben der Stadtverwaltung sind Unfälle mit SUVs "für Fußgänger doppelt so tödlich wie mit einem normalen Auto". Im Kern ist das Projekt aber wohl ideologisch motiviert. "Die Abstimmung soll eine Botschaft an die Profitgier der Autohersteller sein. Dass sie bewusst immer größere, verbrauchsstärkere und teurere Fahrzeuge verkaufen, gefährdet den ökologischen Umbau", heißt es aus der Stadtverwaltung.
Rot-grüne Koalition regiert Paris
Seit ihrem Amtsantritt hat Hidalgo die Umweltpolitik zu ihrem politischen Markenkern gemacht. "Wir befinden uns mitten in einer Phase des Wandels. Und das Schwierigste in dieser Phase ist, dass wir unsere Gewohnheiten ändern müssen", umriss die Politikerin vor einigen Jahren in einem Fernsehinterview ihre politische Überzeugung.
Auf kommunaler Ebene hat sich dieses Konzept bislang für die Sozialistin ausgezahlt. Während Hidalgo als Präsidentschaftskandidatin vor zwei Jahren landesweit unter zwei Prozent blieb, konnte sie sich bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 mit ihrer rot-grünen Koalition in der Stichwahl durchsetzen und ihre Rivalinnen deutlich hinter sich lassen.
Tempo 50 auf der Stadtautobahn?
Nach der Einführung der abschreckenden Parkgebühren müssen sich die Autofahrer bereits auf weitere Verschärfungen einstellen. Anfang 2025 tritt in Paris ein Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge in Kraft, die vor 2011 produziert wurden. Das Beispiel zeigt aber auch die Grenzen der Verbotspolitik. Ursprünglich sollten bereits ab dem 1. Januar 2024 alle Dieselfahrzeuge in Paris ausgesperrt werden - doch Hidalgo konnte sich damit nicht durchsetzen.
Nun soll nach den Olympischen Spielen im Sommer die Höchstgeschwindigkeit auf der viel befahrenen Stadtautobahn Périphérique von derzeit 70 auf 50 Stundenkilometer gesenkt werden. Wie auch immer die SUV-Abstimmung am Sonntag ausgeht: Den Autofahrern in Paris wird es weiter an den Kragen gehen.
Dieser Artikel vom 3. Februar wurde nach der Abstimmung von Sonntag aktualisiert