50 Jahre Höhenrausch
29. Mai 2003"Als wir den Fuß auf den Gipfel setzten, habe ich nicht die ganz große Aufregung verspürt, vielmehr ein Gefühl der Befriedigung. Viele Menschen hatten zuvor versucht, den Everest zu besteigen und waren gescheitert", erzählt Edmund Hillary über seine Erfahrungen auf dem Dach der Welt.
"Wie auf einem andern Stern"
Über alle Flanken und Grate und zu allen Jahreszeiten haben Spitzenbergsteiger den Everest in den vergangenen 50 Jahren bestiegen. Die größten Schlagzeilen schrieb dabei der Südtiroler Reinhold Messner. Am 8. Mai 1978 erreicht er mit dem Österreicher Peter Habeler den Gipfel erstmals ohne Atemmaske. "Es zieht eine große Ruhe in meinen Körper. Ich atme wie jemand, der das Rennen seines Lebens gelaufen ist", sagt Messner nach der Erklimmung des Gipfels.
Nur zweieinhalb Jahre später setzt Messner das I-Tüpfelchen auf seine Bergsteigerkarriere. Im August 1980 erklimmt er den Everest von der tibetischen Nordseite aus als erster im Alleingang, ohne Sauerstoff und mitten im Monsun. Vier Tage lang kämpft Messner gegen die Einsamkeit, spricht mit seinem Rucksack, seinem Eispickel oder imaginären Gefährten: "Da oben bin ich wie auf einem anderen Stern. Es würde, wenn man vielleicht mehrere Monate in dieser Höhe alleine wäre, auch die Frage auftauchen, wer wir sind, d.h. es ginge das Selbstverständnis verloren. Das ist mir bisher noch nicht passiert. Aber nahe daran war ich."
Katalogreisen gen Himmel
Seit knapp 15 Jahren kann der Mount Everest auch aus dem Katalog gebucht werden. Zahlende Kunden, oft ohne nennenswerte alpine Erfahrung, lassen sich seitdem auf den Gipfel führen. Am 11. Mai 1996 sterben dabei nach einem Wettersturz acht Mitglieder kommerzieller Expeditionen – eine Tragödie mit Ansage. Jamling Tenzing Norgay, der Sohn des Erstbesteigers, staunte zuvor im Basislager nicht schlecht, als er sah, dass die Gipfelanwärtern nicht einmal Steigeisen anlegen konnten und ihnen gezeigt werden musste, wie man Leitern überquert.
Der Schock währte allerdings nur kurz. An den wenigen schönen, windstillen Tagen im Mai stauen sich alljährlich die Bergsteiger auf dem Gipfelgrat des Everest. Mehr als 1.200 Menschen waren inzwischen oben, 175 ließen dabei ihr Leben. Ist die Göttinmutter der Erde, wie die Sherpas den Everest nennen, inzwischen ein entweihter Berg? "Er ist nur oberflächlich entweiht. Er ist zugedeckt mit Infrastruktur, mit Müll, mit Seilen, mit Dreck im Basislager. Und damit ist eine Schicht auf ihm drauf, die ihn nicht mehr so stark sein lässt, wie er urspünglich war", sagt Reinhold Messner.
Mount Mercedes
Die Forderung Messners, die Zahl der Expeditionen zu beschränken, hat allerdings kaum Aussicht auf Erfolg. Schließlich ist der Mount Everest für viele ein lukratives Geschäft. Und auf den Partys der Reichen, sagt Extrembergsteiger Ralf Dujmovits, lasse sich mit einer Besteigung des höchsten Bergs der Erde eben immer noch gut prahlen:"Die Faszination dieses Mercedes-Sternes, dieses Prestige-Objektes, den sich manch einer an die Brust heften will, wird weiter da bleiben, und da wird dann wenig Rücksicht drauf genommen, wie es um die Ethik bestellt sein sollte, bzw. es wird wenig Rücksicht darauf genommen, wie so eine Bergbesteigung stattfinden sollte."