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XX+XY in D

Ulrike Mast-Kirschning1. Juli 2008

Vor 50 Jahren trat das Gesetz in Kraft, das Frauen die Gleichstellung in Deutschland garantieren sollte. Aber wie weit ist das wirklich gelungen? Eine aktuelle Standortbeschreibung.

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Frau mit Laptop und Handy
Als Leitbild gehört die Hausfrauenehe der Vergangenheit anBild: picture-alliance/chromorange

Junge Frauen in Deutschland, vor allem wenn sie gut ausgebildet sind, halten die Gleichberechtigung heute meist für eine Selbstverständlichkeit. Sie erlernen einen Beruf, verdienen ihr eigenes Geld, treffen ihre eigenen Entscheidungen. Wollen Sie aber Karriere machen, Familie, Beruf und Kinder unter einen Hut bringen, dann stoßen sie meist schnell an die gläserne Decke, an Barrieren, wie sie die Frauen in den 1970er-Jahren kannten.

Und darin liegt der eigentliche Skandal, sagt Ute Gerhard, Professorin für Soziologie an Universität in Frankfurt am Main. Es sei eben immer noch die Folge eines Leitbildes, das ja bereits vor 50 Jahren abgeschafft werde sollte: "Das Leitbild der Frauen war, ein glückliches Familienleben zu führen. Normale Verhältnisse waren, wenn die Frau zu Hause bleibt und der Mann das Geld verdient."

Die andere Realität

Die Hausfrauenehe als Form der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen bestimmte auch nach der Gleichstellung im bürgerlichen Recht das gesellschaftliche Bewusstsein und die Realität in Deutschland. Ehefrauen taten gut daran, ihren Ehemann den Arbeitsvertrag unterschreiben zu lassen, wenn sie berufstätig sein wollten, um sich im Falle einer Scheidung nicht selbst zu schaden. "Im Grunde ist ein gleichberechtigtes Ehe- und Familienrecht erst 1976 verabschiedet worden und 1977 in Kraft getreten. Das heißt, formal war erst dann die Gleichberechtigung durchgesetzt", sagt Gerhard.

Rita Süssmuth (Quelle: DPA)
Rita Süssmuth: Vorkämpferin für Frauen in der PolitikBild: picture-alliance/ ZB

Rechtlich durchgesetzt hieß aber nicht, dass die gleichberechtigte Arbeitsteilung auch Realität wurde. Das musste auch die erste Frau im Amt des Bundesfamilienministers, Rita Süssmuth, noch in den 80er-Jahren immer wieder erleben. "Jeden Monat hatten wir in den Berichten der Bundesanstalt für Arbeit folgenden Satz: Besonders schwer zu vermitteln auf dem Arbeitsmarkt sind folgende Randgruppen: Ausländer, Behinderte und Frauen."

Auch wenn das Leitbild der Hauptzuständigkeit der Frau für Familie, Kinder und Pflege inzwischen als politisches Leitbild aufgegeben sei, der soziale Wandel vollziehe sich eben sehr viel langsamer, sagt Süssmuth: "Die Barrieren sind dort am größten, wo es darum geht, Macht zu teilen. Und Macht ist verbunden mit gesellschaftlichem Einfluss und mit Einkommen. Wir sehen ja, wie schmal noch immer der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist." Zwar gibt es eine Bundeskanzlerin, aber ein Blick auf die Kandidatenlisten für Landtagswahlen zeige, "dass wir entweder Stillstand oder Stagnation haben".

Noch viel zu tun

Bei Führungspositionen in der Wirtschaft liegt Deutschland mit 26,5 Prozent nur im untersten Viertel aller EU-Staaten. In typischen Männerberufen sind Frauen weiterhin extrem unterrepräsentiert. Sie partizipieren weniger als Männer an betrieblicher Weiterbildung und verdienen je Arbeitsstunde rund ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen.

Nach aktuellen Umfragen sind rund 80 Prozent der Deutschen zwar der Meinung, die zunehmende Gleichberechtigung habe sich positiv auf die Gesellschaft ausgewirkt, in der eigenen Lebensplanung aber fühlen sich zum Beispiel junge Familien weiterhin oft allein gelassen.

Neue Kompetenzen für Männer

Vater betreut Kind (Quelle: DPA)
Immerhin: Es gibt immer mehr Männer, die auch einen Kinderwagen schiebenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Das neue Gesetz über Elternzeit und Elterngeld, das auch eine Erziehungszeit für Väter fördert, scheitert vielfach an der Realität. Das Gesetz wird im Betrieb kaum bekannt gemacht. Väter, die dennoch davon Gebrauch machen wollen, müssen einen Karriereknick fürchten.

Gerhard fordert deshalb: "Wir müssen unser Erwerbsleben neu organisieren und auch Tätigkeiten im Bereich des Privaten, in der Sorge für andere als Teil einen männlichen beruflichen Karrieren ansehen." Und dies müsse dann auch als besondere Kompetenz in den Lebensläufen von Männern vorkommen und von Personalchefs als besondere Qualifikation berücksichtigt werden. Die verfestigten Strukturen auf dem Arbeitsmarkt und in der gesellschaftlichen und betrieblichen Hierarchie sieht die Soziologin dabei nach wie vor als Hindernisse.

Quote kann helfen

Das bestätigt auch die ehemalige Familienministerin und spätere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Sie war einst Gegnerin von Quotenregelungen, hält aber eine Regelung wie in Norwegen heute für richtig: "Ich habe lernen müssen, dass wir ohne Quotierung heute nicht da wären, wo wir sind."

Das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen sehen auch viele Frauenorganisationen in Deutschland noch nicht erreicht. Sie haben in diesen Tagen ihren Schattenbericht zum 6. Bericht der Bundesregierung Deutschland zum UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung (CEDAW) in New York vorgelegt. Ihr Fazit: Das Armutsrisiko für Frauen steigt in Deutschland. Gendermainstreaming ist ersatzlos eingestellt. Und gegen das nach wie vor traditionelle Rollenverständnis, Frauen machen die Familienarbeit, Männer verdienen den Familienunterhalt, ist kein Politikkonzept erkennbar.