5 Lieblingsfilme
22. Dezember 2009Jahresende ist Listenzeit. Kaum eine Zeitung, kein Online-Dienst, die nicht zum Ausklang des Jahres Bestenlisten veröffentlichen. Das ist in den letzten Jahren ein beliebtes Spiel geworden, für die Journalisten, aber auch für die Leser und User, die ihre persönlichen Rankings mit denen der Redakteure und Kritiker vergleichen können.
Die Sehnsucht der Menschen nach Einordnung und Wertung ist groß. Deshalb haben auch wir unsere drei ständigen Filmautoren gebeten, ihre ganz persönlichen Lieblingsfilme des Jahres 2009 aufzulisten.
Bernd Sobolla:
Der seltsame Fall des Benjamin Button …weil der Film, der von einem Menschen erzählt, der als Greis geboren wird und als Kind stirbt, die Wahrnehmung der Kinozuschauer auf den Kopf stellt, das Leben aus einer völlig anderen Perspektive erzählt und zugleich ganz konventionelle Ereignisse schildert. Applaus für Regisseur David Fincher und die Romanvorlage von F. Scott Fitzgerald.
Elektrokohle – Von Wegen
…weil der Dokumentarfilm über das erste Konzert der West-Berliner Kultband „Einstürzende Neubauten" in Ost-Berlin die Atmosphäre unmittelbar nach dem Mauerfall besser festhält als alle Spielfilme und TV-Dokumentationen, die 1989 anlässlich 20 Jahre Wiedervereinigung hierzulande liefen: Eine totale Aufbruchstimmung verbunden mit dem Gefühl, dass das alles nicht lange anhalten wird. Regisseur Uli M. Schüppel sei Dank.Séance
, Kurzfilm aus dem Episodenfilm Deutschland 09 …weil Regisseur Christoph Hochhäusler sein Bild von Deutschland im Jahr 2009 auf den Mond wirft, wo in ferner Zukunft - viele Jahre nach der Erd-Evakuierung - alle Erinnerungen der Menschen gelöscht werden. Nur eine Frau entzieht sich und schreibt „Deutschland" in den Mondsand. Keiner weiß mehr, was das bedeuten soll, aber alle sind von großer Trauer erfüllt. Grandios!Der letzte Applaus
…weil das Kino selten so wehmütige Bilder, Menschen und Musik präsentiert. Ein Film über den Tango, das Leben und die (unerfüllten) Sehnsüchte von uns allen. Ein Geschenk des argentinischen Regisseurs Herman Kral.Inglourious Basterds
…weil Quentin Tarantino sich einen Dreck um Wahrheit und Realität schert, und mit Hitler und seinen Konsorten genau das macht, wovon alle anderen nur träumen: Er jagt sie in die Luft.
Jörg Taszman
Inglourious Basterds ...weil Kultregisseur Quentin Tarantino genüsslich die deutsche und europäische Filmgeschichte plündert, und es sich wagt die Geschichte zu fälschen und dennoch vermag zu unterhalten. Auch Dank vorzüglicher deutscher Schauspieler.
Gran Torino ... von und mit Clint Eastwood, der einen knorrigen Rassisten und Witwer spielt, der sich von der eigenen Familie abwendet und sich ausgerechnet mit den Kindern asiatischer Nachbarn behutsam anfreundet. Subtil, witzig, packend und am Ende ebenso originell wie berührend.
Slumdog Millionaire ...Der knallbunte Filmbonbon von Danny Boyle ist pures, sinnliches Kino und eine wunderschöne Liebesgeschichte.
Bright Star ...das Comeback von Jane Campion ("Das Piano") beschert uns die schönste und traurigste Liebesgeschichte des Jahres. Zart einfühlsam und hoch romantisch!
Public Enemy No 1 ...das können derzeit nur die Franzosen. Knallhartes, episches Gangsterkino über einen ebenso durchgeknallten, gefährlichen wie charismatischen Staatsfeind der 70er Jahre.
Jochen Kürten
Il Divo ...weil Regisseur Paolo Sorrentino und Hauptdarsteller Toni Servillo eine Figur auf die Leinwand gebracht haben, der man atemlos folgt und mit der man mitleidet. Ein grandioser Auftritt Servillos, der mit dem historischen Vorbild möglicherweise kaum viel zu tun hat...
Frost/Nixon ...weil auch hier zwei Schauspieler aufeinandertreffen, denen man gebannt und fasziniert zuschaut, deren kleinste Regungen für großes Menschentheater stehen.
Revanche ...weil Regisseur Götz Spielmann den Krimi des Jahres inszeniert hat, messerscharf und hintersinnig, gnadenlos traurig und faszinierend düster. Und deshalb für mich auch noch eindrücklicher als der andere große Film aus Österreich des Jahres, "Das weiße Band".
Che ...weil Benicio Del Toro dieser Figur soviel Leben einhaucht, dass man sie auch nach dem zweiten Teil gar nicht mehr missen möchte. Auch hier gilt: was Film und was Realität ist, das möge jeder selbst entscheiden.
Coco Chanel ...weil Audrey Tautous Augen so groß, so tief und so schwarz sind, dass man darüber hinaus alles vergisst, auch dass der Film ansonsten nur ein durchschnittliches Biopic ist.
Autor: Jochen Kürten