40 Grad sind drin
25. Juni 2019Sabine Krüger ist in diesen Tagen eine gefragte Frau. Die Meteorologin arbeitet für den Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Bundesbehörde mit Sitz in Offenbach am Main hat die Aufgabe, vor wetterbedingten Gefahren zu warnen sowie das Klima in Deutschland zu dokumentieren und seine Veränderungen zu bewerten. Dass Hoch "Ulla" Deutschland auch in den nächsten Tagen einheizt, daran lässt die Wetterexpertin gegenüber der Deutschen Welle keinen Zweifel: "Die Sonne kann fast ungestört scheinen, es kommt viel warme Luft aus Afrika zu uns. Es kann bis zu 39 Grad warm werden, mancherorts könnte sogar die 40-Grad-Marke erreicht werden." Der Mittwoch werde aller Voraussicht nach der bislang wärmste Tag des Jahres.
Die Chancen stehen also gut, dass die 1947 in Frankfurt am Main gemessene Juni-Rekordtemperatur von 38,2 Grad geknackt wird. Der DWD hat inzwischen in elf von 16 Bundesländern offizielle Hitzewarnungen ausgesprochen. Auch über seine sozialen Netzwerke warnt die Behörde vor längeren Aufenthalten in der Sonne und davor, die UV-Strahlung auch im Schatten nicht zu unterschätzen. Ebenso sollte auf "entsprechende Kleidung wie ein sonnendichtes Hemd, lange Hosen, Sonnenbrille und eine Kopfbedeckung" zurückgegriffen werden.
Gefährdete Berufsgruppen
Während die meisten Angestellten solchen Hitzetagen in abgedunkelten oder klimatisierten Büros ausweichen können, gibt es einige Berufsgruppen, denen die Hitze nicht erspart bleibt. Allen voran müssen Bauarbeiter leiden, sie braten regelrecht in der prallen Sonne. Wenn beispielsweise neue Straßenbeläge verlegt werden, können Temperaturen um die 80 Grad Celsius entstehen. Neben der körperlichen Anstrengung kommen jede Menge Staub, Dreck und die Wärmeentwicklung von Baumaschinen dazu. Auch um gesetzlich vorgeschriebenen Hitzefrei-Regelungen umgehen zu können, setzen viele Arbeitgeber in der Baubranche darauf, den Arbeitsbeginn in die frühen Morgenstunden zu verlegen.
Ebenso früh auf den Beinen sind Erntehelfer und Landwirte. Die Arbeit auf dem Acker ist schon bei niedrigen Temperaturen schweißtreibend. Im Sommer gleicht die Arbeit meist einer Qual, denn Schatten sucht man auf Obst- und Gemüsefeldern meist vergebens. Es hilft alles nichts: Erdbeeren, Zucchini, Möhren, Blumenkohl und Co. wollen geerntet werden.
Auch Feuerwehrleute kommen in diesen Tagen beim Einsatz mächtig ins Schwitzen. Das Perfide: In der Nähe von Bränden ist es ohnehin enorm heiß, 800 bis 1000 Grad sind keine Seltenheit. Zusätzlich zur Hitze lässt die Einsatzkräfte auch noch die Ausrüstung ins Schwitzen geraten. Allein die Hose hat drei bis vier Lagen, hinzu kommen Beil, Atemschutz, Gurt und der Rest der Sicherheitskleidung. Insgesamt ist die Montur etwa 30 bis 40 Kilogramm schwer.
Malteser Hilfsdienst schlägt Alarm
Rainer Löb ist angesichts der Rekordtemperaturen alarmiert. Löb ist der Bundesarzt des Malteser Hilfsdienstes (MHD) und somit der führende Arzt der international tätigen katholische Hilfsorganisation in Deutschland. Mit fast 31.000 hauptamtlichen Mitarbeitern zählt der MHD zu einem der großen Arbeitgeber im Gesundheits- und Sozialwesen. Löb warnt davor, dass durch die enorme Hitze die Temperaturregelung bei vielen Menschen überfordert sein könnte. Die Folgen: Sonnenstiche, Hitzschläge, Erschöpfungszustände und Kreislaufversagen. Für ihn sind es nicht nur bestimmte Berufsgruppen, die mit den Auswirkungen der extremen Temperaturen zu kämpfen haben: "Bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Regelung der Körpertemperatur über das Schwitzen aufgrund der vergleichsweise geringen Körperoberfläche nur eingeschränkt möglich", so Löb gegenüber der DW. Bei älteren und chronisch kranken Menschen funktioniere die Wärmeregulierung nicht mehr so gut wie in jungen Jahren. In der Folge sei "das Durstgefühl oft gestört".
Um allzu große Unglücke zu verhindern, werden die Malteser in den kommenden Tagen die Einsatzbereitschaft im Rettungsdienst erhöhen. Generell greift der Experte bei seinen Tipps gegen die Hitze und ihren Folgen auf Hausmittel zurück. Das bedeutet: viel trinken und mehr Pausen machen.
Die Grünen: politische Nutznießer der Hitze?
Dass Diskussionen um extreme Klimabedingungen längst auch Eingang in die politische Debatte in Deutschland gefunden haben, lässt sich seit Wochen an den sogenannten Fridays-for-Future-Demonstrationen erkennen. Die weltweite Schüler- und Studentenbewegung, die sich für den Klimaschutz einsetzt, lässt auch hierzulande jeden Freitag Zehntausende Menschen auf die Straßen strömen.
Vor allem die Grünen profitieren von der gestiegenen Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Umweltthemen. Bei den Europawahlen erzielte die Partei deutschlandweit mit knapp 21 Prozent ein Rekordergebnis und landete nur knapp hinter der CDU auf Rang zwei. Seitdem steigen ihre Popularitätswerte noch weiter. Laut aktuellem Deutschlandtrend von infratest dimap liegt die Partei derzeit bei rund 27 Prozent.
Nico Siegel ist der Geschäftsführer von infratest dimap. Er warnt vor voreiligen Schlüssen: Zwar hätten schon die Hitzewelle und die Dürre während des vergangenen Sommers den Grünen mit ihrem Markenkern Umweltpolitik genützt, allerdings lasse sich für den Erfolg der Partei nicht "ein bestimmter Anlass oder ein singuläres Ereignis ausmachen". Die derzeitigen Hitzetage sind aber in jedem Fall nicht nur eine Belastung für viele Menschen, sondern auch ein Politikum.