1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

30 Jahre Internet: "This is for everyone"

Marko Langer
12. März 2019

Online-Shopping, Internet-Seiten oder YouTube gäbe es wohl nicht, hätte nicht ein Brite vor 30 Jahren eine Idee gehabt: Austausch von Infos per Computer - global. Seine Idee hat die Welt verändert, nicht nur zum Guten.

https://p.dw.com/p/3Eqgn
Tim Berners-Lee Erfinder von World Wide Web
Tim Berners-Lee zu der Zeit, als alles anfingBild: Imago/Leemage/CERN

"Vague but exciting ... " - "Vage, aber aufregend ..." Diese drei Worte, gefolgt von drei Pünktchen, stehen handschriftlich auf einem Memo, das ein junger Mitarbeiter des Schweizer Kernforschungszentrums CERN im März 1989 verfasst hatte. Die Überschrift liest sich auch heute noch unverdächtig. "Information Management: A Proposal". Also, ein Vorschlag zum Informationsmanagement.

Eine vage Ahnung

Der junge Wissenschaftler hieß Tim Berners-Lee, war als Software-Entwickler aus Großbritannien an das CERN in der Nähe von Genf gekommen. Und die handschriftliche Bemerkung stammte von seinem damaligen Chef, der zunächst nur eine vage Ahnung hatte, was ihm da auf den Tisch kam. Berners-Lee hatte eigentlich nur das Datenchaos an der Großforschungseinrichtung organisieren wollen. Am Ende organisierte er die Kommunikation auf der ganzen Welt.

Erster WWW-Server am CERN (1990)
Erster WWW-Server am CERN (1990): Zutiefst demokratischer GedankeBild: CERN

Und aus der ersten Idee wurde ein ganzer Baukasten, den jeder Internet-Surfer heutzutage nutzt und kennt: Der Brite dachte sich solche Dinge aus, wie den ersten Browser, das World Wide Web, die Programmiersprache HTML oder die URL, unter der man Internet-Seiten wiederfinden kann.

Heute ist Berners-Lee 63. Für seine Verdienste im Bereich der Wissenschaft wurde er 2004 von Queen Elisabeth II. mit dem Orden "Knight Commander of the Order of the British Empire" ausgezeichnet und somit in den Ritterstand erhoben. Und welche Bedeutung "Sir Tim", wie er sich selbst nennt, für die ganze Welt hat, wurde jedem Computermuffel spätestens bei der Eröffnungsfeier zu den Olympischen Spielen am 27. Juli 2012 im Londoner Wembley-Stadion klar.

Ein Popstar im cremefarbenen Anzug

Da saß nämlich Berners-Lee vor einem Weltpublikum vor den TV-Schirmen und tippte den Satz "This is for everyone" in die Tastatur, der wenige Sekunden später im ganzen Stadionrund zu lesen war.

Ein hochemotionaler Moment: Der Erfinder des World Wide Web wurde gefeiert, ein Popstar im cremefarbenen Anzug. Ein Informatiker von Welt (im Mitschnitt der "London 2012 Opening Ceremony" zu sehen bei 1:17:35).

"This is for everyone" - "Dies ist für alle da"! Ein zutiefst demokratischer Gedanke, der dahinter steckt. Und tatsächlich spielt das Web bis heute eine tragende Rolle, wenn es um die Demokratisierung in Staaten geht, die das nötig haben.

Hass und Hacker

Doch inzwischen hat sich der Wind gedreht. Und selbst der WWW-Erfinder muss heute konstatieren: Es gibt "Störfaktoren", wie er das ausdrückt. Noch nüchterner könnte man sagen, das Netz droht zu verlottern: Nutzer seien Hasstiraden ausgesetzt, staatlich gesponserte Hacking-Aktionen und andere kriminelle Machenschaften kämen hinzu, zählte der Brite auf. Werbefinanzierte Geschäftsmodelle seien nur auf "Clickbait" aus, während sich Fake News immer weiter verbreiteten. Am Jubiläumstag wieder in Genf eingetroffen, sagte Berners-Lee ernüchtert: "Das Web ist heute nicht das Web, wie wir es uns in jeder Hinsicht wünschen."

Tim Berners-Lee bei der Feier im CERN in Meyrin bei Genf
Tim Berners-Lee bei der Feier im CERN in Meyrin bei Genf: Etwas ernüchtertBild: Reuters/F. Coffrini

In Deutschland hat der Blogger und Kommunikationsberater Sascha Lobo schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass es so nicht weitergehen kann. "Die Gesellschaft muss sich einigen, wie sie das Internet heilen, reparieren oder weiterentwickeln möchte - und zwar so, dass es der Gesellschaft besser dient", sagte Lobo im Gespräch mit der DW. Etwas euphorischer klingt heute der Internetexperte Markus Beckedahl, auf der von ihm gegründeten Plattform Netzpolitik.org: "Es liegt an uns, ob wir diese Erfindung zum Wohle aller gestalten. Daher bleibt unser Motto: Fight for your digital rights!"

Also: Kampf für Daten- und Persönlichkeitsschutz. Und Kampf gegen Denunziation, Propaganda, Pornos, Bombenbau-Anleitungen und all das andere giftige Zeug, das heutzutage im World Wide Web transportiert wird.

"30 years on, what's next", hat Berners-Lee seinen Geburtstagstext überschrieben. was kommt als nächstes? Wer von Berners-Lee nun schnelle Patentrezepte erwartet, der wird enttäuscht sein. Am Ende, so der Visionär, kommt es auf uns alle an: "In Anbetracht dessen, wie sehr sich das Internet in den vergangenen 30 Jahren verändert hat, wäre es schwarzseherisch und einfallslos, anzunehmen, dass das Web, wie wir es kennen, in den nächsten 30 Jahren nicht zum Besseren verändert werden kann. Wenn wir es jetzt aufgeben, ein besseres Web aufzubauen, dann hat das Web nicht bei uns versagt. Wir haben beim Web versagt."