20 Jahre Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guests
Seit 20 Jahren begeistert die Tanzcompagnie von Sasha Waltz das Publikum weltweit mit ihren Produktionen: Sie wurden in 127 Städten in 51 Ländern auf allen Kontinenten gezeigt. Doch nun zerplatzt für sie ein Lebenstraum.
International erfolgreich und gefeiert
Seit 20 Jahren begeistert die Berliner Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guests ihr Publikum. In 127 Städten in 51 Ländern gastierte sie bereits mit ihren Produktionen. Doch nun zerplatzt für die Choreografin, Tänzerin und Opernregisseurin Sasha Waltz - sie ist das Zentrum der Compagnie - ein Lebenstraum: Zum 1. Januar 2014 muss sie alle festen Tänzer entlassen. Zu angespannt ist die finanzielle Lage.
Kein zusätzliches Geld aus Berlin
Sasha Waltz hatte darauf gesetzt, dass das Land Berlin den Etat für die Tanzcompagnie endlich aufstocken würde. Nun kam die Absage. Die Compagnie muss momentan rund die Hälfte ihres Etats von ca. vier Millionen Euro selbst erwirtschaften. Gegründet wurde Sasha Waltz & Guests 1993 in Berlin. Das Ensemble hat kein eigenes Haus, sondern tourt im In- und Ausland mit Gastspielen.
Basis war immer Berlin
Alle Choreografien werden in Berlin entwickelt und geprobt, unabhängig vom Ort der Uraufführung. Das Repertoire umfasst knapp 20 Stücke. Fest angestellt waren 35 Mitarbeiter, nun müssen die 12 Tänzer und Choreografen entlassen werden, um die Fixkosten zu senken. In Zukunft werden sie auf Honorarbasis arbeiten. "Ich begrabe einen Traum, an dem ich mein ganzes Leben gearbeitet habe", so Waltz.
Russisch-belgisch-französisch-deutsche Koproduktion
Zuletzt sorgte sie mit dem Stück "Sacre" für Aufsehen, ihrer Interpretation des skandalumwitterten Werks "Le sacre du printemps" von Igor Strawinsky, uraufgeführt vor vor 100 Jahren. Premiere hatte Waltz' Choreografie im Mai am Mariinski-Theater in St. Petersburg, danach ging es nach Paris und Brüssel. Im Herbst war "Sacre" dann an der Berliner Staatsoper zu sehen. Es dirigierte Daniel Barenboim.
Tanz als universelle Sprache
Sasha Waltz ist es gelungen, über die Jahrzehnte eine ganz eigene Tanzsprache zu entwickeln: experimentell, aber zugänglich. Streng und doch verspielt. Körperbetont, sinnlich und sehr ästhetisch. Diese Sprache ist universell und so ist das Ensemble auf der ganzen Welt ein gern gesehener Gast. Der internationale Durchbruch gelang 1996 mit "Allee der Kosmonauten", einer Art Familienporträt.
Intensiv bis aggressiv und trotzdem lustig
Schon mit ihrem ersten abendfüllenden Stück "Twenty to eight", Auftakt zur "Travelogue"-Trilogie, zeigte Sasha Waltz vor 20 Jahren ganz deutlich ihr außergewöhnliches Gespür dafür, Tänzer einen Raum erst entdecken und dann dominieren zu lassen. Immer im Zusammenspiel aus Humor, Aggressivität und Sinnlichkeit. Heute ist das Stück so etwas wie ein Tanzklassiker und immer noch Teil des Repertoires.
Hinreißend poetisch choreografierte Opern
Seit 2005 widmet sich Sasha Waltz vor allem der Entwicklung von Opernchoreografien und verknüpft dabei Musik, Tanz und Gesang als gleichberechtigte Künste. Sie schuf damit geradezu ein eigenes Genre: die "choreografische Oper". Erster Coup war "Dido & Aeneas" von Henry Purcell. Die Produktion feierte in Luxemburg Premiere und wurde mittlerweile in 15 Ländern gezeigt. Auf der Bühne: ein Aquarium!
Einmal um die Welt
Diese und weitere Opernproduktionen katapultieren Sasha Waltz endgültig in das Bewusstsein einer künstlerisch interessierten Weltöffentlichkeit. Sie wurde in Deutschland und im Ausland vielfach ausgezeichnet, im Jahr 2013 erhielt Sasha Waltz & Guests den Titel "Europäischer Kulturbotschafter". Die Tänzer kommen von überall her: ein Mix von Argentinien bis Japan, von Madagaskar bis Litauen.
Vor der Eröffnung kommt der Tanz
Ein wiederkehrendes Element in der Arbeit von Sasha Waltz ist die Projektreihe "Dialoge", die meist in leeren, öffentlichen Gebäuden zur Aufführung kommt. Zum Beispiel im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel, das von Stararchitekt David Chipperfield wiederaufgebaut und 2009 eröffnet wurde. Bevor die Exponate des Ägyptischen Museums einzogen, weihten 70 Tänzer, Musiker und Sänger den Ort ein.
Symbiose aus Tanz und Architektur
Mit dieser Form der künstlerischen Inauguration war die Compagnie auch an vielen weiteren Orten gefragt, beispielsweise im von Zaha Hadid konzipierten römischen Museum für zeitgenössische Kunst: MAXXI (2009). Waltz entwickelte hier die Idee der bewegten Ausstellung auf den verschiedenen Ebenen des Gebäudes weiter, die bereits im Neuen Museum überzeugt hatte. Tanz und Architektur: eine Symbiose.
Zwischen Kalkutta und Berlin
Weitere Dialog-Projekte führten das Ensemble zum Beispiel in einen verlassenen Palast im historischen Stadtkern Kalkuttas, eine mittelalterliche Klosteranlage nach Montpellier und in den entkernten Palast der Republik in Berlin, der später abgerissen wurde. Jedes dieser Projekte ist interdisziplinär angelegt. In Dialog miteinander treten neben Tanz und Architektur auch Bildende Kunst und Musik.
Jubiläums-Ausstellung in Karlsruhe
In ihrer Heimatstadt Karlsruhe wird das Werk von Sasha Waltz seit September erstmals im Rahmen einer Sonderausstellung präsentiert. Anlass ist das 20-jährige Jubiläum der Compagnie. Eine ungewöhnliche Hommage: Die flüchtige Kunst des Tanzes verwandelt sich im Medienmuseum ZKM in Installationen, manche gefilmt, manche mit echten Tänzern. Sasha Waltz zeigt hier auch erstmals ihre Skizzenbücher.
Bleibt Sasha Waltz in Berlin?
Wie geht es weiter mit der international so erfolgreichen, aber stets unterfinanzierten Compagnie? Noch hält es Sasha Waltz in Berlin. Doch auf ihrer Pressekonferenz war die Botschaft klar, die am Ende eines turbulenten Jahres steht: Sie werde nun jedes Angebot prüfen. "Wenn es anderswo Bedingungen gibt, die ich brauche, um künstlerisch arbeiten zu können, werde ich es möglicherweise annehmen."
Ihr Weggang wäre ein herber Verlust
Sollte diese Compagnie von Weltrang die deutsche Hauptstadt tatsächlich verlassen, wäre das ein herber Verlust. Und ein Zeichen von kulturpolitischer Ignoranz. Schon die Tatsache, dass in den vergangenen acht Jahren keine Uraufführung von Sasha Waltz & Guests in Berlin stattfand, deutet in diese Richtung.