1.FC Köln fordert Freilassung von Häftlingen im Iran
9. Dezember 2023Von Fluchtlichtstimmung und Fangesängen bei der Budnesliga-Partie zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 (0:0) wird Nahid Taghavi nichts mitbekommen haben, und wohl auch nicht, dass sich im Kölner Stadion an diesem Wochenende viel um Menschenrechte drehte. Aber - das ist die Hoffnung des Klubs und Amnesty International - die Aufmerksamkeit könnte der inhaftierten Frauenrechtlerin auf Umwegen nutzen. "In fast jedem zweiten Fall können wir mit öffentlichen Kampagnen etwas erreichen", unterstreicht Amnesty-Sprecherin Simone Böhm-González im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die 69-Jährige Taghavi aus Köln sitzt seit 2020 im Evin-Gefängnis in Teheran, alle Bemühungen um ihre Freilassung waren bisher vergebens.
"Viele der inhaftierten Frauen zeigen angesichts der harten Bedingungen bemerkenswerte Widerstandskraft und Solidarität", erklärt Saeede Fathi gegenüber der DW. Die iranische Sportjournalistin ist ins Exil geflohen. Im Iran wurde sie ebenfalls verfolgt und war monatelang in Haft. Aus eigener Erfahrung weiß sie: "Von externer Unterstützung und Kampagnen für ihre Freilassung zu hören, kann für diese Frauen eine wichtige Quelle der Hoffnung und Kraft sein."
Sie hält es für denkbar, dass der internationale Druck zur Freilassung oder zumindest Hafterleichterung von Taghavi führen kann. Die Inhaftierte ist schwer krank und benötigt dringend weitergehende medizinische Behandlung.
Köln sorgt für Novum
Angestoßen von der FC-Stiftung haben sich der Fußball-Klub und Amnesty in dieser Saison zusammengetan. Erstmals in der Bundesliga-Geschichte gibt es eine solche Aktion. Das ganze Spieltags-Wochenende steht in Köln im Zeichen der Menschenrechte.
Bei den Heimspielen des Frauen- und Männerteams warben die Kölner für die Einhaltung der in einer UN-Charta festgehaltenen Rechte, die von vielen Ländern missachtet wird. Sowohl bei den Frauen des FC vor dem Spiel gegen Wolfsburg am Samstag (1:4) als auch vor dem Spiel der Männer gegen Mainz am Sonntag fanden Aktionen statt.
In beiden Begegnungen trugen die Teams Sondertrikots, die Trikotsponsoren stellen ihre Werbeflächen zur Verfügung. Auch mit Flyern und auf seinen Social Media-Kanälen sensibilisiert der Klub unter dem Motto "#zesammeFürMenschen" für das Thema. FC-Präsident Werner Wolf betont: "Wir wollen zeigen, wie wichtig es ist, Menschenrechte zu schützen und dass wir es sind, die laut sein müssen, wenn sie an anderer Stelle verletzt werden."
Menschenrechtsdiskussion um Katar
Dass der Fußball zum Schauplatz für Menschenrechtsdemos wird, hat sich erst in den vergangenen Jahren entwickelt. Auslöser war die Vergabe der FIFA-WM nach Katar. In den Jahren vor dem Turnier 2022 hatte die Lage der ausländischen Gastarbeiter in dem Wüstenstaat für Schlagzeilen gesorgt.
Die Diskussion fand auch unter Fußballfans großen Widerhall und mündete schließlich in politischen Bekenntnissen des Verbandes und der deutschen Nationalelf. Nach Ansicht von Amnesty-Sprecherin Böhm-González ist das kein Zufall. Fußball und Fankultur hätten durchaus viel mit Menschenrechten zu tun. "Fairplay und Solidarität sind Punkte, die man auch in den Menschenrechten wieder findet. Das ist für uns ein Anknüpfungspunkt."
Dieses Thema führt der 1. FC Köln mit seiner Aktion nun erstmals in dieser Größenordnung in die Bundesliga. Im vergangenen Jahr hatte es nur von Seiten der Fans Solidaritätsbekundungen für die Freiheitsbewegung im Iran gegeben. Das solche Botschaften im Fußball einen sichtbaren Platz finden, hält die iranische Journalistin Fathi für folgerichtig: "Auf diese Weise kann man die Popularität und emotionale Bindung der Menschen zum Sport für einen Zweck nutzen, der über das Spiel hinausgeht."
Iran gerät aus dem Blickfeld
Mit der Aktion gehe es auch darum "den Blick der Öffentlichkeit wieder mehr in Richtung Iran zu lenken", sagt die Amnesty-Sprecherin. Der Kampf der Bevölkerung für Frauenrechte und Freiheit war durch den russischen Angriffskrieg und die aktuelle Krise im Nahen Osten zuletzt in den Hintergrund gerückt.
Auf offiziellen Kanälen werden die Bilder und Botschaften zur Freilassung von Nahid Taghavi aus dem Kölner Stadion den Iran nicht erreichen. Die Zensur der Regierung ist strikt. Doch die Botschaft wird via Internet und Soziale Medien bei ihren fußballverrückten Landsleuten ankommen, ist sich Saeedeh Fathi sicher. "Wenn Themen die Aufmerksamkeit internationaler Medien auf sich ziehen, kommt es oft zu positiven Ergebnissen, wie etwa der Umwandlung von Todesurteilen oder der Aufhebung von Urteilen, wie im Fall von Toomaj Salehi."
Eine Wendung, auf die auch die Angehörigen von Nahid Taghavi in Köln hoffen.
Der Text wurde am 10. Dezember aktualisiert.