Fragen und Antworten zur Balfour-Deklaration
2. November 2017Am 2. November 1917 schreibt der britische Außenminister Arthur James Balfour einen Brief an Lord Walther Rothschild, einen führenden Vertreter der britischen Zionisten. Der Brief geht als Balfour-Deklaration in die Geschichtsbücher ein.
Vor welchem Hintergrund entstand die Balfour-Deklaration?
Drei Jahre nach seinem Ausbruch ist kein Ende des Ersten Weltkriegs abzusehen. Hunderttausende Briten sind bereits im Kampf gegen Deutschland gefallen. Großbritanniens Verbündeter, das revolutionäre Russland, drohte auszufallen, die französische Armee war erschöpft, der Kriegseintritt der USA zeigte noch kaum Wirkung und die Türken leisteten im Nahen Osten zähen Widerstand. Mit der Balfour-Deklaration wollte London sich die Unterstützung der einflussreichen Zionisten - den Anhängern eines jüdischen Staates - auf der ganzen Welt zusichern.
Denn auch die Juden träumten von einem eigenen Staat. "Wenn es den Juden unmöglich gemacht wird, sich innerhalb anderer Nationen zu verwirklichen, so müssen sie die Errichtung eines eigenen Nationalstaates anstreben, um gleich unter Gleichen zu sein", schrieb der Wiener Journalist und Zionistenführer Theodor Herzl bereits 1895 in seinem Buch "Der Judenstaat".
Was stand in der Deklaration?
Es war eine knappe Erklärung, die Deklaration umfasst nur wenige Zeilen. Der britische Außenminister Balfour schreibt darin: "Die Regierung seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Ziels zu erleichtern." Außerdem fügte Balfour hinzu, dass die Rechte der nichtjüdischen Gemeinschaften in Palästina dadurch nicht infrage gestellt werden dürften.
Heute betonen Historiker, dass die Ungenauigkeit der Deklaration häufig übersehen wird. Denn weder ist in dem Brief von einem "Staat" die Rede, noch wird klar, wo die Grenzen einer solchen Heimstätte liegen sollten.
Welche Bedeutung hatte die Erklärung damals?
Der Briefadressat Rothschild bezeichnete die Zusicherung als einen der "außergewöhnlichsten Momente in der Geschichte des jüdischen Volkes". Die Rückkehr der seit ihrer Vertreibung durch die Römer in alle Welt zerstreuten, immer wieder grausam verfolgten Juden ins Gelobte Land schien mit Hilfe einer europäischen Großmacht endlich Gestalt anzunehmen. Zum ersten Mal erkannte eine Großmacht den Wunsch eines jüdischen Staates als legitimes politisches Ziel an. Der Brief war für die damaligen Zionisten so etwas wie der "Gummistempel", sagt der Historiker James Roden von der Edge Hill University, also eine Art Gründungsdokument für den späteren Staat Israel.
Welche Rolle spielte Großbritannien bei dem Ganzen?
Im Zuge des Ersten Weltkriegs erhöhte sich der Stellenwert Palästinas beim Ringen um eine Neuaufteilung der Welt. Großbritannien wollte seine Machtstellung sowie seine strategischen und wirtschaftlichen Interessen im Nahen Osten absichern. Historiker wie Rashid Khalidi gehen davon aus, dass Großbritannien diesem Ziel mit der Unterstützung des Zionismus näher kam. In diesem Sinne war die Balfour-Deklaration vielmehr ein Baustein für Großbritannien, um seine imperialen Interessen zu verfolgen.
Das lassen auch die widersprüchlichen Versprechungen Großbritanniens in der Zeit vermuten. Erst 1915 hatte Großbritannien den Arabern die Gründung eines arabischen Großreiches in Aussicht gestellt, inklusive Palästina - als Gegenleistung für die Hilfe gegen die Türken. Im Sykes-Picot-Abkommen von 1916 vereinbarten Frankreich und Großbritannien die Aufteilung des Osmanischen Reiches untereinander - 1917 folgte die Balfour-Deklaration. "Auf dreiste Weise versprach es allen alles und behielt es schließlich selbst", urteilt der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn.
Was passierte nach der Balfour-Deklaration?
Nach dem Sieg im Ersten Weltkrieg fiel den Briten ihre Kriegsdiplomatie mit Getöse auf die Füße. 1922 wurde Palästina britisches Mandatsgebiet und die Balfour-Deklaration als Teil der Mandatsakte völkerrechtlich bindend. Während Zionisten nun auf eine möglichst ungebremste jüdische Einwanderung drängten, um die Staatswerdung voranzutreiben, und immer mehr Land aufkauften, wehrten sich die palästinensischen Araber oft mit Gewalt. Schon Anfang der 1920er Jahre kam es in Jerusalem und Jaffa zu antijüdischen Massakern. Daraufhin militarisierten sich auch Teile der Jishuv, der jüdischen Community in Palästina, und die Spannungen zwischen Juden und Arabern verschärften sich.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem antisemitischen Massenmord in Europa stimmten die UN gegen erbitterten arabischen Widerstand einem Teilungsplan zu, der 1948 zur Gründung des Staates Israel führte.
Welche Bedeutung hat die Balfour- Deklaration für Israelis und Araber heute noch?
Die Balfour-Deklaration bleibt bis heute umstritten. Für Araber ist das Dokument schlicht die Gründungsurkunde des Nahostkonflikts. Die arabisch-israelische Knessetabgeordnete Aida Touma-Suleiman sagte, Balfour habe das palästinensische Volk, das zum Zeitpunkt der Erklärung 90 Prozent der Bevölkerung Palästinas ausgemacht habe, seiner nationalen und politischen Rechte beraubt und den Weg zur Vertreibung der Palästinenser bereitet. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas forderte Großbritannien im vergangenen Jahr auf, sich für die Erklärung zu entschuldigen und den palästinensischen Staat 100 Jahre nach Inkrafttreten der Deklaration anzuerkennen.
Aus Sicht vieler Israelis war die Deklaration dagegen der notwendige erste Schritt zu einer gerechten Staatsgründung. In Israel wird die Erinnerung an die Erklärung überall wachgehalten: Viele Hauptverkehrsstraßen und Plätze sind nach Balfour benannt.