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Über 100.000 Tote durch Dieselabgase

15. Mai 2017

Weltweit sterben jedes Jahr mehr als 107.000 Menschen an den Folgen von Dieselabgasen. Davon sterben 38.000, weil Fahrzeuge die Grenzwerte für Stickoxid überschreiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie.

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Symbolbild Gesundheit Abgase Luft
Bild: picture alliance/WILDLIFE/C.Heumader

Die Emissionen von Stickstoffoxid (NOx) aus Lastwagen, Bussen und Diesel-PKW verschmutzen die Luft und führen weltweit zu vielen Todesfällen. Seit dem VW-Dieselskandal wurde nach und nach bekannt, dass fast alle Dieselfahrzeuge die vorgeschriebenen Grenzwerte auf der Straße nicht einhalten und dadurch die Gesundheit der Bürger weltweit erheblich schädigen.

Unter der Leitung des International Council on Clean Transportation (ICCT) und Environment Health Analytics (LLC) wertete ein internationales Forscherteam mehr als 30 Studien zu Dieselabgasen, Luftverschmutzung und Erkrankungen aus. Auf Grundlage etablierter wissenschaftlicher Modelle zeigen sie auf, welche Folgen Dieselfahrzeuge für die weltweite Gesundheit haben.

Die im Fachmagazin "Nature" veröffentlichte Studie rechnet aus, dass es im Jahr 2015 weltweit rund 107.600 vorzeitige Todesfälle im engen Zusammenhang mit der Luftverschmutzung durch NOx aus Dieselfahrzeugen stehen. Nach Berechnungen der Forscher starben davon rund 38.000 Menschen, weil die Fahrzeuge die festgelegten Grenzwerte auf der Straße nicht einhielten - demnach fast 28.000 Menschen durch die Überschreitungen der Emissionen bei Bussen und LKW und rund 10.000 Menschen durch Überschreitungen bei Diesel-PKW.

Infografik Todesfälle durch Stickoxide aus Dieselautos DEU

Europäer leiden besonders

Im Jahr 2015 starben nach Angaben der Forscher in China rund 31.400 Menschen vorzeitig durch das giftige Stickoxid aus den Dieselautos, rund 28.500 Menschen in der EU und 26.700 in Indien. 

Aber: Die Bevölkerung in Europa ist nur halb so groß wie die in China oder Indien. Wie kommt es dennoch zu einer solch großen Anzahl an Todesfällen? Das liegt an den Diesel-Fahrzeugen. Wie in keiner Region der Welt werden in Europa Diesel-PKW verkauft: 2014 waren es vier Mal mehr als in China, fünf Mal mehr als in Indien und über 20 Mal mehr als in den USA, Japan, Russland, Brasilien und Mexiko.

Nach Angaben der Forscher haben die Manipulationen von Dieselfahrzeugen in Europa deshalb auch ein besonderes Gewicht. "Durch die Überschreitung der Grenzwerte gibt es über 11.400 vorzeitige Todesfälle in Europa, daran haben Diesel-PKW einen Anteil von 60 Prozent", sagt Studienautor Ray Minjares vom ICCT. "Europa erleidet hier die größte Gesundheitsbelastung durch den größeren Fahrzeugmarkt".

In anderen Ländern sind vor allem die Abgase von LKW und Bussen das größte Problem und auch hier die Nichteinhaltung der Grenzwerte. In Indien, China, USA und Brasilien lagen im Jahr 2015 die Zahlen der Todesfälle durch Überschreitungen um rund 30 Prozent höher. Insgesamt liegt der weltweite Anteil von NOx-Emissionen aus LKW und Bussen im Autoverkehr bei 76 Prozent.

Infografik Mehr Stickoxide als erlaubt bei PKWs

Fortschritt durch Kontrollen und strenge Grenzwerte

"Die Folgen durch die Grenzüberschreitung bei den NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen für die öffentliche Gesundheit sind auffällig", sagt Studienautorin Susan Anenberg von Environmental Health Analytics (LLC). Mit der Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte auf der Straße könnte die Zahl der Todesfälle schon heute deutlich gesenkt werden.

Entscheidend sei hierbei vor allem die Politik: Bliebe es bei bisheriger Politik, so würde laut Studie die Anzahl der weltweiten Todesfälle durch NOx-Emissionen sogar noch weiter ansteigen, auf 183.000 pro Jahr bis 2040.

Würde dagegen die Einhaltung der Grenzwerte konsequent durchgesetzt und die Fahrzeuge entsprechend optimiert, so ließen sich 174.000 vorzeitige Todesfälle im Jahr 2040 vermeiden.

Als "überfällig" bezeichnet Benjamin Stephan von Greenpeace die Studie: "Sie stellt Daten zur Verfügung, die wir bisher in der Diskussion vermisst haben". Er erhofft sich durch die Studie einen anderen Schwerpunkt in der Aufarbeitung des Dieselabgas-Skandals. "Bisher stand oft der Betrug an den Autobesitzern im Mittelpunkt. Jetzt wird klar, welche Größenordnung der Skandal hat und welche Auswirkungen dies auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen hat", sagt Stephan gegenüber DPA.

Infografik Abgasüberschreitungen Diesel-PKW Euro 6
Bei der letzten DUH-Testreihe überschreiten die meisten Diesel-PKW deutlich die vorgeschriebenen Grenzwerte.

Die Deutschen Umwelthilfe begrüßt die Studie ebenfalls und fordert schon seit langem ein schnelles Handeln der Politik, um die giftigen Emissionen aus den Dieselmotoren einzudämmen. "Die neue ICCT-Studie widerspricht der Ignoranz von Teilen dieser Bundesregierung, die gemeinsam mit den Autokonzernen die gesundheitsschädlichen Effekte von NOx in Abrede stellt", sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum Abgasskandal, der in Kürze veröffentlicht wird, bezeichnet im Entwurf den epidemiologischen Zusammenhang zwischen Todesfällen und NOx-Emissionen im "Sinne einer adäquaten Kausalität" als "nicht erwiesen". Dem widerspricht allerdings die Opposition und auch viele andere wissenschaftliche Experten.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion