Äthiopiens kommunistische Vergangenheit

Ein roter Stern an der Spitze, Hammer und Sichel als Symbol des Kommunismus: Der Obelisk im Zentrum von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba erinnert an Soldaten, die im Krieg zwischen Somalia und Äthiopien in den 1960er Jahren starben. Doch für viele Äthiopier steht das Mahnmal auch für die kommunistische Schreckensherrschaft der Militärjunta "Derg" unter Mengistu Haile Mariam, der es erbauen ließ.

"Als Somalia Krieg gegen Äthiopien führte, boten die USA keine Hilfe an. Darum begab sich der Derg in die Hände der Sowjetunion", sagt Abebe Hailu. Er war Jurastudent, als eine Studentenbewegung 1974 den Sturz des äthiopischen Kaisers auslöste. Äthiopien wurde zum sozialistischen Staat. Drei Jahre später übernahm General Mengistu Haile Mariam die Macht in Äthiopien - eine brutale Diktatur begann.

Die Sowjetunion wetteiferte mit den USA um Macht und Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent. Äthiopien, strategisch wichtig gelegen am Horn von Afrika, sollte ihr sozialistisches Bollwerk werden: Wichtige Schiffsrouten führen dort entlang, vor allem Öltanker verkehren hier zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean.

Im Norden kämpfte Äthiopien gegen Rebellen, die die Unabhängigkeit Eritreas forderten. Das spielte den Kommunisten in die Hände: Diktator Mengistu Haile Mariam brauchte neue Waffen, schloss sich darum den Sowjets an. Fortan demonstrierte das Militär häufig seine Macht auf dem Revolutionsplatz in Addis Abeba (Bild). Doch die Menschen hatten den Kommunismus bald satt - Blutvergießen folgte.

Die Statue der drei weinenden Frauen vor dem "Red Terror Martyrs' Memorial Museum" erinnert an den Schrecken, den Diktator Mengistu verbreitete. 1976 schmiss er etwa während einer Rede eine Flasche voller Blut auf den Boden: Mit dieser theatralischen Geste startete er die als "Roter Terror" bekannte Kampagne, die zehntausende vermeintliche Revolutionsgegner letztlich das Leben kostete.

Das Museum zeigt heute wie die Militärjunta Propaganda gegen den Kaiser machte: 1973 feierte er ausgiebig seinen achtzigsten Geburtstag, während viele Äthiopier Hunger litten (Bild). Rund zehn Jahre später verhielten sich die Militärs genauso: Zum zehnten Jahrestag der Revolution richteten sie eine prunkvolle Feier aus. Im Land herrschte wieder eine schlimme Hungersnot.

"Nur ein Jahr, nachdem wir das Jurastudium beendet hatten, wurden sechs meiner Kommilitonen exekutiert", sagt Zeitzeuge Abebe. 1976 bis 1978 erlebte Äthiopien besonders schlimme Jahre. Damals bekriegten sich Militärregierung und Opposition. Vor allem junge Arbeitnehmer und Universitätsstudenten wurden angegriffen. Willkürliche Verhaftungen, Folter und Gruppen-Exekutionen waren grausamer Alltag.

In vielen Räumen des Museums hängen Fotos von Opfern des Regimes. "Es gehört zur marxistisch-leninistischen Ideologie, einfach auf vermeintlich Konservative zu schießen, weil man sich fortschrittlich fühlt", sagt Abebe. Militärherrscher Mengistu habe die Ideologie nur benutzt, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen und ihre Macht zu erhalten.

Mengistu war nur ein Offizier mittleren Ranges, als die Militärs die Macht übernahmen. Aber er manövrierte sich geschickt an die Spitze des Staates und überlebte eine Reihe politischer Säuberungen, denen andere Offiziere der blutigen Junta zum Opfer fielen. Erst im Mai 1991 setzte die Opposition ihn ab. Mengistu gelang es, nach Simbabwe zu fliehen. Dort lebt er noch heute.

Der ehemalige Revolutionsplatz ist heute ein betriebsamer Handelsplatz. Das Podium, auf dem Mengistu einst seine Reden hielt, befindet sich neben der neuen Straßenbahn. Überbleibsel aus Äthiopiens kommunistischer Vergangenheit, die schmerzvolle Erinnerungen wecken. "Ich habe in meinem Leben gesehen, dass schlimmere Sachen passieren können, als du dir vorstellen kannst", sagt ein Zeitzeuge.