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Mehr Gemeinsinn in der Corona-Pandemie

Viele haben die Gefahren der COVID-19-Pandemie anscheinend immer noch nicht verstanden. Dem kann auch die Politik nicht wirklich abhelfen. Aber sie muss es trotzdem versuchen, meint Kay-Alexander Scholz.

BdTD Coronavirus in Frankfurt ein Herz für Merkel
Lange her: Reaktionen in Frankfurt am Main auf die Rede der Kanzlerin zur Corona-Krise im März 2020Bild: Reuters/K. Pfaffenabach

Verzicht ist eine alte deutsche Tugend. Doch verzichten können will gelernt sein. Müssen besonders gefährdete ältere Menschen aus Thüringen mitten in der Pandemie mit einem Bus nach Prag fahren, wo die Fallzahlen hoch sind? Wieder daheim fallen dann viele Tests positiv aus.

Müssen in Berlin-Mitte die Leute abends Rücken-an-Rücken vor Restaurants sitzen oder in Gruppen die halbe Nacht lang vor Imbissen Bier trinken? Jetzt ist das Zentrum der deutschen Hauptstadt ein Hoch-Risiko-Gebiet. Müssen gerade jetzt große Hochzeitspartys gefeiert werden? Wenn wenige Tage später dann Dutzende in Quarantäne müssen?

Was ist für den Menschen artgerecht?

Bei vielen scheint die anhaltende Gefahr der Pandemie noch nicht angekommen zu sein. Schnell wieder zurück in das Leben wie zuvor - so lautet ihre Devise. Stattdessen müsste es heißen: weiterhin Abstand halten, Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts reduzieren, mal nicht feiern bis der Arzt kommt.

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
DW-Hauptstadtkorrespondent Kay-Alexander Scholz

Das Virus hat uns gelehrt: Wir hocken zu oft zu eng aufeinander. In modernen Großraum-Büros, in übervollen Zügen, in engen Flugzeugkabinen, mit Tausenden anderen auf einem Kreuzfahrtschiff. In der Tierzucht spricht man von artgerechter Haltung. Was ist für den Menschen artgerecht? Die Geschichte der Pandemien hat immer wieder gezeigt: Wenn es an Hygiene mangelt und die Menschen sich auf zu dichtem Raum aufhalten, haben Viren und Bakterien beste Chancen, Leben zu beenden.

"Mehr Maske, kleinere Feiern, weniger Alkohol"

Nun also will die Politik gegensteuern - relativ sanft und vor allem regional angepasst. Ein Treffen von Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer legte eine Empfehlung für Höchstgrenzen von Partys fest. Auch Verkaufsverbote für Alkohol und Sperrstunden soll es punktuell geben. Restaurant-Besucher sollen Strafe zahlen, wenn auf Kontaktformularen nur Fantasie-Namen stehen. Steigen die Zahlen an einem Ort zu stark an - hier gibt es nun zwei Grenzwerte - heißt es: mehr Maske, kleinere Feiern, weniger Alkohol, wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder so prägnant zusammenfasste. Die Pandemie sei schließlich keine Privatsache.

Gut, dass es keine neuen bundesweiten Vorgaben gibt. Dazu ist das Infektionsgeschehen zu unterschiedlich. Aber es bleiben Fragen: Wer soll das alles kontrollieren? Schon jetzt hapert es überall an Personal. Und weiter gedacht: Wollen wir wirklich einen Staat, der alles und jeden überwacht und bestraft?

Eine Frage der eigenen Verantwortung

"Letztendlich kommt es darauf an, das Vertrauen nicht zu verlieren und weiter zu motivieren", schrieben die Wissenschaftler der Leopoldina als Empfehlung im Vorfeld des Treffens mit der Kanzlerin. Die erfolgreiche Eindämmung der Pandemie werde davon abhängen, ob es gelinge, die bekannten Schutzmaßnahmen noch konsequenter als bislang umzusetzen.

Das kann die Politik allein nicht schultern. Darauf wies auch die Bundeskanzlerin hin. Die Signale und Botschaften der Politik könnten nur wirken, so Merkel, wenn es eine Bereitschaft gebe, die Regeln zu befolgen und einen eigenen Beitrag zu leisten. Wie wahr! Die Alternative wäre ein neuer Shutdown - und den will niemand.