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"Wenn wir den Menschen nicht helfen, werden sie sterben"

Die Hungerkrise in Afrika spitzt sich zu. 20 Millionen Menschen sind vom Hunger bedroht. Besonders dramatisch ist die Lage in den Regionen Somaliland und Puntland am Horn von Afrika. Arndt Peltner war dort.

Kleine Hütten aus Ästen und Büschen auf einem sandigen Boden, darüber ein blauer Himmel
Nomaden suchen in Uskure Schutz vor dem Hunger Bild: Arndt Peltner

Ahmed Hurre Diiriye steht auf einem ausgedorrten Stück Land außerhalb der Kleinstadt Dilla im Westen Somalilands. "Den Menschen und dem Vieh fehlt es an Wasser, an Nahrung, an einer Herberge, an Medizin. Wenn wir ihnen das nicht bald geben können, werden die Opferzahl steigen", klagt Diiriye, der Vorsitzender des lokalen Dürre-Komitees ist. Dann zeigt er auf dutzende tote Ziegen, die am Boden liegen. Einige Kadaver sind schon halb verwest. "Du hast das tote Vieh gesehen, aber wenn wir den Menschen nicht helfen, werden auch sie sterben", mahnt Diiriye.

Die Ziegen gehörten Sahra Hawadle Haji. "Ich kam vor fünf Monaten hierher, ich bin mit meiner Familie und meinen Tieren vor der Dürre in der östlichen Region geflohen. Ich hatte 500 Tiere, heute sind es gerade noch 30", erzählt die 45-Jährige.

Somaliland ist Teil der Hungerregion am Horn von Afrika. 1991 erklärte die frühere britische Kolonie ihre Unabhängigkeit von Somalia. Bis heute ist der Kleinstaat international nicht anerkannt worden. Somaliland hängt am Tropf der somalischen Diaspora. Ohne die Gelder aus Übersee wäre die Hungerkatastrophe wohl noch größer.

Regenzeiten sind ausgeblieben

Experten haben den Hunger bereits seit langer Zeit kommen sehen. "Im September und Oktober 2016 war uns klar, dass die dritte Regenzeit in Folge ausbleiben würde", sagt Raheel Chaudhary, Landesdirektor der Hilfsorganisation Care. "Für viele von uns ist eine Dürre etwas ganz normales in Somalia, aber im Januar dieses Jahres wurde ganz deutlich, welche Auswirkung diese drei fehlenden Regenzeiten haben: jeder zweite Somali litt unter der Hungerkrise und war auf Unterstützung angewiesen.” 

Eine Frau mit einem grünen Gewand steht auf ausgetrockneten Grund, im Hintergrund einige vertrocknete Büsche.
Sara Hawadle ist vor der Dürre in einen anderen Teil Somalilands geflohen Bild: Arndt Peltner

Die Vorboten des Hungers haben auch die Hauptstadt Hargeisa erreicht. Am Rande eines staubigen Platzes liegt ein kleines Gesundheitszentrum. Dutzende Frauen sitzen mit ihren Kleinkindern auf dem Boden und warten darauf, dass die Krankenschwestern für sie Zeit finden. Immer mehr Mütter kommen mit unterernährten Kleinkindern hierher. Im Moment sind es 130 und ihre Zahl steigt. Dazu kommen etliche schwangere Frauen, die ebenfalls unter Mangelerscheinungen leiden. Die Kleinen werden mit balasthaltigen Keksen aufgepäppelt. Doch das reiche schon lange nicht mehr, sagt Fatima Abdi, die Leiterin des Zentrums. Denn nicht nur die Kinder seien unterernährt. Eine breitere Hilfe für alle Familienmitglieder aber fehle.

Die Nomaden haben ihre Tiere verloren

800 Kilometer weiter östlich liegt Dangorayo, eine Kleinstadt in Puntland. Die Region hat sich 1998 von Somalia abgespalten. Von dort geht es 40 Kilometer über eine Schotterpiste in Richtung des Dorfes Uskure. In unmittelbarer Nachbarschaft haben sich 200 Nomaden-Familien niedergelassen. Normalerweise ziehen sie mit ihren Tieren umher. Doch nun sitzen sie fest, irgendwo im Nirgendwo, darauf angewiesen, Hilfe von außen zu erhalten. Der Großteil ihrer Tiere ist verendet.

Aus Ästen, Planen und Decken haben sie sich Hütten gebaut. Fließendes Wasser oder Strom gibt es nicht. Abdi Hassi ist der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft. Im Schatten des einzigen Baumes weit und breit berichtet er von der Situation: "Die Leute sind hier, um Unterstützung zu finden. Aber der Hauptgrund ist, damit es jeder sehen kann. Die Welt soll uns als Gemeinschaft sehen. Die Not ist groß."

Kadaver toter Ziegen liegen auf dem Boden. Einige sind bereits verwest.
Viele Nomaden haben bereits ihre Tiere verloren Bild: Arndt Peltner

Medina Ahmed sitzt in ihrer Hütte in Uskure und flechtet einen Korb. Auch die Mutter von vier Kindern erzählt, dass es nicht genügend zu essen gibt. Jeder teile das, was er habe, mit den Nachbarn. Aber es reiche hinten und vorne nicht. Der Regen müsse kommen, sagt sie. Das sei die einzige Hoffnung, die sie hätten. Wasser und Nahrung wird einmal im Monat geliefert. Pro Tag stehen jedem hier zweieinhalb Liter Wasser zu.

Die schlimmste Dürre seit 50 Jahren

Vielen Menschen geht es sogar noch schlechter. Ahmed Abdullahi Abdirahman ist der Direktor des Katastrophenschutzes von Puntland. Er spricht von zehntausenden Haushalten, die in Not seien. Krankheiten breiteten sich aus, sogar von Cholera-Ausbrüchen wird schon berichtet. "Die Alten haben uns gesagt, dass diese Dürre die schlimmste in 50 Jahren sei. Seit 1964 hat es so etwas nicht mehr gegeben", sagt Abdirahman. "Es gibt kein Weideland mehr für das Vieh. Die Leute können ihre letzten Tiere auch nicht mehr verkaufen, sie sind zu geschwächt." Die Dürre 2011, die weit über 200.000 Menschenleben forderte, war auf einige Regionen in Somalia beschränkt. Doch heute sei das ganze Land betroffen. Die Hälfte der somalischen Bevölkerung sei von der Hungerkatastrophe bedroht.