Russischer DW-Talk mit Zhanna Nemzowa
Talkgast der ersten Ausgabe, die am 10. Mai auf der Internetseite
ausgestrahlt wird, war der prominente russische Schriftsteller und Putin-Kritiker Boris Akunin.
Der seit 2014 in London lebende Autor, dessen realer Name Grigori Tschchartischwili lautet, erläuterte im Interview der Deutschen Welle die Gründe für sein Leben im Exil: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die aktuellen politischen Machthaber mein Heimatland in den Untergang führen, deswegen betrachte ich sie als meine Feinde.“
Akunin sagte weiter: „In Russland hat sich alles verändert nach den Ereignissen in der Ukraine im Jahr 2014. Wladimir Putin hat eine Entscheidung getroffen, die man nicht rückgängig machen kann. Für Russlands Position in der Welt bedeutet das eine zunehmende Isolation des Landes, und in Russland bedeutet das für ihn Regieren auf Lebenszeit. Ein Rücktritt ist unmöglich.“
In früheren Interviews hatte Akunin die Frage, ob er Wladimir Putin für korrupt halte, verneint. Jetzt sagte er: „Putin durchläuft eine Evolution. Man braucht eine krankhafte Gier, um Milliarden zu ‚schlucken‘. Korruption bedeutet aber nicht ausschließlich Diebstahl. Korruption ist der Verfall eines Staatssystems auf unterschiedlichste Art und Weise. Wenn man seinen Freunden Privilegien gewährt, ist das Korruption. Wenn man Personen deckt, mit denen man sympathisiert, damit sie nicht für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden, ist das Korruption. Wenn man einen Schattenhaushalt führt, ist das Korruption.“
Zhanna Nemzowa, Tochter des im Februar 2015 ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow, ist seit August 2015 Reporterin in der Russisch-Redaktion der DW in Bonn. Ihre journalistische Laufbahn begann die Wirtschaftswissenschaftlerin beim russischen TV-Sender RBC, wo sie Sendungen moderierte und Vertreter aus Wirtschaft und Politik interviewte. Einige Monate nach der Ermordung ihres Vaters sah Nemzowa ihre Sicherheit in Russland gefährdet und zog nach Deutschland.